Großer Andrang in der Landeserstaufnahmestelle Karlsruhe auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015. Foto: dpa

Menschen ohne Bleibeperspektive sollen künftig in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben und von dort aus abgeschoben werden. Land will gesetzliche Vorgabe umsetzen.

Stuttgart - Nach dem blutigen Anschlag von Hamburg ist der Streit über die Abschiebepraxis neu entbrannt. Wiederum steht der Vorwurf im Raum, die zuständigen Behörden in den Ländern würden die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber nicht konsequent genug durchsetzen. Die Behörden kontern dies mit dem Hinweis auf rechtliche und praktische Abschiebehindernisse, die im Einzelfall nur schwer zu überwinden seien. Ganz oben stehen das Fehlen von Ausweisdokumenten und die angespannte Menschenrechtslage im Herkunftsland.

Dessen ungeachtet sind die Voraussetzungen für konsequente Abschiebungen rein rechtlich betrachtet so günstig wie noch nie. Am vergangenen Samstag ist das „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ in Kraft getreten, mit dem die schwarz-rote Bundesregierung unter anderem auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt reagiert hatte. Das Gesetz sieht unter anderem Regelverschärfungen im Umgang mit sogenannten Gefährdern vor, die ausreisepflichtig sind. Es greift zudem die Idee von Abschiebezentren auf, ohne jedoch den umstrittenen Begriff explizit zu verwenden.

Den Vorschlag, Asylbewerber ohne Bleibeperspektive zentral unterzubringen, um ihre spätere Abschiebung zu erleichtern, hatten Unionspolitiker bereits 2016 unterstützt, so auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und sein saarländischer Amtskollege Klaus Bouillon (beide CDU). „Wenn die Familien irgendwo wochenlang sind, mit Familien vor Ort Kontakt haben oder in Vereinen, dann gibt es es eine persönliche Nähe zu den Betroffenen“, sagte Bouillon im Januar im vergangenen Januar in einem Interview. Das erschwere Abschiebungen. Es gehe insgesamt darum, Anreize für Personen ohne Bleibeperspektive zu reduzieren.

Wohnpflicht war bisher befristet

Durchsetzen konnten sich die Unionspolitiker nicht mit ihren Plänen. De Maizière bekam immerhin sein Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR), eine Koordinierungsstelle für eine verbesserte Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Sachen Abschiebung.

Mit dem jüngst in Kraft getretenen Ausreisepflicht-Gesetz kommen die Abschiebezentren nun jedoch sozusagen durch die Hintertür. Es wurde eine Regelung ins Asylgesetz aufgenommen, nach der die Bundesländer Asylsuchende ohne Bleibeperspektive verpflichten können, länger als bisher in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen. Während die Wohnpflicht bisher befristet war, soll sie künftig im Bedarfsfall so lange verlängert werden, bis die betreffende Person direkt aus der Erstaufnahmeeinrichtung ins Herkunftsland zurückgeführt werden kann.

Das baden-württembergische Innenministerium ist derzeit damit befasst, die Vorgaben des Gesetzes zu prüfen und umzusetzen. Ab wann die neue Praxis greifen kann, könne man noch nicht sagen, erklärte ein Sprecher gegenüber dieser Zeitung.

Lob vom Gemeindetag

Der Gemeindetag Baden-Württemberg begrüßte den Ansatz, Menschen, deren Asylbegehren mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird, zentral unterzubringen und nicht auf die Kommunen zu verteilen. Dies sei ein wichtiges Signal an die Betroffenen selbst, aber auch an die Kommunen, sagte eine Sprecherin. Diese könnten sich mit ihrer Integrationsarbeit auf Menschen konzentrieren, die tatsächlich eine Bleibeperspektive haben. Das würde auch die Akzeptanz für diese Flüchtlingen in der Bevölkerung verbessern.

Doch selbst wenn die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber nun mit allem Nachdruck verfolgt – ein zentrales Ausgangsproblem wird bleiben. Darauf verweist der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach: „Wenn wir schon an der Grenze auf die bei der Einreise sonst zwingend vorgeschriebene Erfüllung der Passpflicht verzichten und Tag für Tag viele Hundert Drittstaatsangehörige mit ungeklärter Identität und Nationalität einreisen können, werden wir bei der Rückführung auch zukünftig große Probleme haben.“