Irina Rall-Ernst liebt guten Kaffee – ein Grund für sie, das Café Justus an der Olgastraße zu eröffnen Foto: privat

Ende Februar hat das Café Justus an der Olgastraße im Stuttgarter Heusteigviertel eröffnet – es bietet hochwertige regionale Produkte.

S-Süd - Bla steht an der einen, Blablablablabla an der anderen Türe. Der Türe zur Toilette. Welche Nasszelle ist wohl für Damen, welche für Herren? Folgt man der nahe liegenden, aber vollkommen klischeebehafteten Vermutung? Oder führt sie in die Irre?

Irina Rall-Ernst lächelt verschmitzt. Mit der Hand streicht die Inhaberin des Café Justus über den hölzernen Tisch. Er ist neu, maßgefertigt, geradlinig und sehr lang. Dazu gibt es die passende lange Holzbank und Barstühle. Es gibt sogar Bänkchen für die Füße, damit einem die Beine nicht schwer werden, wenn man eine Weile auf der Bank am Stehtisch verbringen will. Und eine Weile hier zubringen, das kann man durchaus: Kaffee trinken, den vorbeifahrenden Autos auf der Olgastraße nachblicken und am Himmel Hausgiebel zählen – das hat was sehr Urbanes.

Charme trotz der klaren Strukturen

„Ich bin nicht der urbane Typ“, sagt Rall-Ernst hingegen. Und meint damit, dass bei ihr im Café eben keine alten Sofas, durchgesessene Sessel und windschiefe Tischchen stehen, wie sonst so oft in Stuttgart. Statt charmantem Chaos herrscht bei ihr klare Struktur. Alles ist bei Rall-Ernst genau durchdacht. Vom Logo – dem handgeschriebenen Namenszug mit einem leicht verwischten Kreis, der den Abdruck einer Kaffeetasse auf dem Tisch darstellt – über die Bänkchen für die Füße und die Auswahl der qualitativ hochwertigen und hauptsächlich regionalen Produkte. Doch die eigentliche Kunst, die Rall-Ernst beherrscht, ist, dass ihrer klaren Ordnung dennoch Charme innewohnt. Sie hat im Justus ein merkliches „Wohlfühl-Ambiente“ geschaffen, wie die 43-Jährige es nennt.

Vielleicht, weil in ihrer Brust zwei Seelen wohnen. Rall-Ernst kommt eigentlich aus dem Marketing. „Darum rede ich auch relativ viel“, sagt sie und lächelt wieder verschmitzt. Doch neben dem Studium kellnerte sie bei Markus Reuss, der heute das Schwanenbräu in Bernhausen betreibt. Bereits mit 22 Jahren hatte sie ein Konzept für ihr eigenes Café. Und somit einen Traum. Der lange seiner Umsetzung harrte. Doch eines Tages erzählte sie Markus Reuss davon – und sein Fazit lautete: „Musst du machen!“

Café liegt neben dem Elternhaus

Und sie machte. Doch der Weg war freilich nicht so gradlinig wie ihre Möbel. Drei Jahre lang suchte Rall-Ernst, die mit ihrem Mann in Mönsheim im Enzkreis lebt, nach einem geeigneten Objekt. Der Zufall wollte es, dass sie schließlich direkt neben ihrem Elternhaus fündig wurde, an der Olgastraße 118. „Ich bin im Stuttgarter Heusteigviertel aufgewachsen, und meine Eltern und die Familie wohnen noch immer hier“, sagt Rall-Ernst. So ist es auch naheliegend, dass sie das Brot von der Bäckerei Weible bezieht, denn „die Frau Weible kennt mich von Windeln an“. Das Sauerteig- und Mehrkornbrot nimmt Rall-Ernst als Basis für ihre Brotzeit, zu der es eine Auswahl an Aufstrichen von Markus Reuss gibt.

Zudem gibt es im Justus gehaltvolle Törtchen von der Manufaktur Grau aus Fellbach, Weckgläser, gefüllt mit Joghurt und Quark mit Früchten, Obstsalat und Salat – alles auch zum Mitnehmen – und einen Mittagstisch. Vorerst besteht dieser aus einer Tagessuppe oder Eintopf, das Angebot soll aber noch ausgeweitet werden.

Hauptsächlich regionale Produkte

Am meisten legt Rall-Ernst jedoch auf den Kaffee wert, denn: „Wenn ich leckeren Kaffee trinke, dann geht es mir gut“. Lange hat sie gebraucht, bis sie die richtigen Röstereien und dann die richtigen Röstmischungen gefunden hat, entschieden hat sie sich letztlich für Röstpunkt aus Heimsheim und Cartimor aus Stuttgart. Nur beim Wein macht Rall-Ernst eine Ausnahme von ihrer Regel, nur regionale Produkte zu verwenden: Hensel kommt aus der Pfalz – und stammt von der Familie ihrer Schwägerin, dem Mann ihres Bruders. Und somit gehört dieser Wein einfach zum Justus, denn schließlich ist das Café nach eben jenem Bruder benannt – der immer an Rall-Ernst Traum geglaubt hatte.

Rall-Ernst fühlt sich inzwischen im Heusteigviertel wieder ganz zu Hause. Der Besitzer vom Alaturka-Imbiss begrüßte sie mit einem Strauß roter Tulpen, sie bringt ihm nun jeden Morgen einen Kaffee über die Straße. Apropos: Kaffee treibt bekanntlich. Nur: wie ist das nun mit den Toiletten?