Die IG Metall plant für den Arbeitskampf Foto: dpa

Die Metallbranche läuft sich warm für die nächste Tarifrunde. Die Forderung ist dieses Mal vergleichsweise moderat – doch bei der Durchsetzung will die Gewerkschaft neue Wege gehen.

Frankfurt - Die IG Metall zieht mit einem neuen Arbeitskampfkonzept in die anstehende Tarifrunde und will deutlich mehr Beschäftigte und Betriebe als bisher einbeziehen. „Die Tarifpolitik ist kein Apparat, der ein Ergebnis ausspuckt“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in Frankfurt. Sie lebe vielmehr von den Menschen, die mitmachen. Die Gewerkschaft will in diesem Jahr auch Betriebe mit Forderungen konfrontieren, die bisher gar keinen Tarifvertrag haben. Dies soll die Mobilisierung erhöhen und dafür sorgen, dass mehr Beschäftigte als bisher durch Tarifverträge erfasst werden.

Die Tarifbindung in der Metallbranche ist langfristig deutlich gesunken; innerhalb der vergangenen 20 Jahre sank sie von 70 auf 52 Prozent. Darüber hinaus gibt es auch Betriebe, die zwar nicht an den Tarif gebunden sind, ihn aber zahlen. In diesen Betrieben sei der Tariflohn ein „Gnadenakt“, so Hofmann. Man könne diese Betriebe zwar nicht zwingen, in den Arbeitgeberverband einzutreten, aber sehr wohl Druck ausüben, einen Anerkennungstarifvertrag zu unterschreiben, sagte Stefan Schaumburg, Leiter Tarifpolitik der IG Metall.

Bei Firmen ohne Tarifbindung, aber mit einem Organisationsgrad zwischen 30 und 50 Prozent will man die gewerkschaftliche Basis für die anstehenden Auseinandersetzungen erschließen. Dadurch will man auch den Organisationsgrad und damit die Mitgliederzahlen der IG Metall steigern. Die regionalen Gliederungen der Gewerkschaft sind nun aufgerufen, geeignete Betriebe zu benennen. Zwischen 400 und 600 Unternehmen will man auf diese Weise bundesweit in den Blick nehmen.

Mit der neuen Strategie will die Gewerkschaft zugleich einem Grundproblem entgegenwirken, das Tarifparteien praktisch bei jeder Auseinandersetzung haben: „Mit Streiks treffen wir gerade die, die ohnehin im Tarif sind“, so Schaumburg. Wer dem Tarifsystem von vornherein fernbleibe, sei von den Auseinandersetzungen ansonsten gar nicht berührt. Im Metallbereich seien die Auseinandersetzungen bisher stark auf große Unternehmen konzentriert gewesen. „Künftig wollen wir auch die beteiligen, die auf der Tribüne sitzen und anschließend Haltungsnoten verteilen.“

Auch bei den Regionen setzt die Gewerkschaft auf eine breitere Basis

Auch regional soll der Tarifkampf dieses Mal auf breiterer Ebene geführt werden. Man werde „deutlich später als bisher zu erkennen geben, in welchem Tarifgebiet der Pilotabschluss kommt“, so IG-Metall-Chef Hofmann. Künftig werde man auch bisher wenig involvierte Regionen in die Arbeitskampfstrategie einbeziehen. Dann werden sich auch „Arbeitgeber in bisher wenig betroffenen Verbänden mit Forderungen konfrontiert sehen“. Es werde künftig „weniger Zuschauer und mehr konkret Betroffene geben“, sagt Hofmann und spricht von einer „zusätzlichen Eskalationsstufe“.

In die kommende Tarifrunde will die Gewerkschaft mit einer Forderung von 4,5 bis 5 Prozent gehen. Diese Empfehlung des Vorstands ist so niedrig wie seit zehn Jahren nicht; lediglich im Krisenjahr 2009 war die Gewerkschaft ohne Zahl in die Verhandlungen gegangen. Gesamtmetall-Chef Rainer Dulger erklärte, es sei die „falsche Zeit für Höhenflüge“. Kritik der Arbeitgeberseite, die IG Metall sei in den vergangenen Jahren mit ihrer Lohnpolitik der Produktivität weit vorausgeeilt, weist die Gewerkschaft zurück. Der Verband Gesamtmetall hatte kritisiert, dass die Löhne in der Branche seit 2012 um 20, die Produktivität dagegen nur um zwei Prozent gestiegen sei. Frank Iwer, Leiter des Bereichs Strategie und politische Planung, erklärte dazu, die IG Metall orientiere sich bei der Tarifpolitik am mittelfristigen Trend. Zwischen 2000 und 2014 sei die Produktivität im Jahresdurchschnitt um 2,6 Prozent gestiegen.

Statistik-Effekte verringern die Produktivität

Der geringe Anstieg seit 2012 sei nicht durch eine geringere Leistung, sondern durch statistische Sondereffekte zu erklären. Zum einen sei in der Entwicklung, in der Logistik und im Leitungsbereich Personal aufgebaut worden, das nicht unmittelbar zu einer entsprechend höheren Produktion in Deutschland führe und somit statistisch die Fertigung pro Kopf verringere.

Zum anderen seien gerade in Großunternehmen viele Leiharbeiter übernommen worden, was statistisch einen ähnlichen Effekt habe. Trotz geringerer Steigerung der Produktivität habe die Arbeitsverdichtung in der Produktion aber keineswegs abgenommen. Iwer räumte ein, dass die Lohnstückkosten – also die Löhne im Verhältnis zur Menge der hergestellten Produkte – gestiegen seien; die insgesamt sehr gute Ertragslage der Branche zeige aber, dass die Unternehmen sich dies auch leisten könnten.

Auch die geringen Investitionen der Branche sind für Iwer kein Beleg für überhöhte Löhne. Das Niveau der Investitionen sei zwar „besorgniserregend“, zumal den Unternehmen ausreichend Mittel zur Verfügung stünden. Hauptursachen seien aber die Energiepolitik, die Investitionen in Gaskraftwerke unrentabel mache, die Probleme des Werkzeugmaschinenbaus insbesondere in Russland und das schleppende Vorankommen der Elektromobilität wegen der fehlenden Lade-Infrastruktur.