Der Terror-Angeklagte macht umfangreiche Angaben vor Gericht. Foto: dpa

Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart muss sich seit Dienstag ein 25-jähriger Mann verantworten, weil er als Mitglied der Terrorgruppe Jabhat al-Nusra in Syrien gekämpft haben soll. Der Angeklagte hatte zuletzt im Kreis Böblingen gewohnt.

Stuttgart - Der Mann versteht die Welt nicht mehr. „Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um im Gefängnis zu sitzen“, sagt der Syrer vor dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart. Schon bei der Polizei hatte er sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht. Er habe doch gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) gekämpft. Daran sei doch nichts falsch.

Ankläger Eckard Maak von der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart sieht das anders. „Dass der Angeklagte gegen den IS gekämpft hat, wird bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müssen“, sagt der Oberstaatsanwalt. Allerdings habe der 25-Jährige dies als Mitglied der Al-Nusra-Front getan. Und die Jabhat al-Nusra sei seit 2013 als terroristische Vereinigung im Ausland eingestuft. Inzwischen ist diese Terrorgruppe, einst ein Ableger von Al-Kaida, sogar Teil des IS geworden.

Der Häftling tritt in Hungerstreik

Der Syrer, der vor seiner Festnahme im Kreis Böblingen wohnte, hat die Behörden vor einige Probleme gestellt. Mitte Januar dieses Jahres war der Terrorverdächtige in einen Hungerstreik getreten. „Ich wollte ein Leben außerhalb des Gefängnisses führen“, sagt er vor Gericht. Im arabischen TV-Sender Al Dschasira habe er von zwei Männern gehört, die wegen ihres Hungerstreiks aus der Haft entlassen worden seien. So sei er auf die Idee gekommen.

Er wurde ins Vollzugskrankenhaus Hohenasperg verlegt. Er hungerte weiter. Irgendwann lehnte er die Infusionen ab und kam in ein Krankenhaus im Raum Stuttgart. Dort wurde er zwangsernährt. Von 60 Kilogramm Körpergewicht hungerte der 25-Jährige knapp zehn Kilogramm herunter. Er geriet in Lebensgefahr und wurde im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Der Prozess gegen ihn musste warten, der Mann war nicht verhandlungsfähig. Doch der Syrer änderte seine Haltung. „Der Hungerstreik war ein Fehler, das war eine schlechte Tat“, sagt er vor Gericht. Er müsse leben und anderen Menschen helfen. Anderen Menschen zu helfen mache ihn glücklich. „Ich will Pfleger werden“, sagt er.

Angeklagter will Pfleger werden

Jetzt steht der schmächtige Mann erst einmal vor Gericht – als mutmaßliches Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Ihm wird vorgeworfen, er habe zwischen September 2013 und Mai 2014 als Al-Nusra-Mann gekämpft. An zwei bewaffneten Einsätzen soll er teilgenommen haben. Mit Kalaschnikow und Handgranate bewaffnet soll er Wache geschoben und Gasflaschen an die Bevölkerung verteilt haben.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe nicht. „Er stand aber unter Zwang“, sagt sein Verteidiger Daniel Wolff. Als sein Mandant die Gelegenheit gehabt habe, sich aus der Zwangssituation zu befreien, sei er nach Deutschland geflüchtet. „Wir werden auf einen Freispruch hinarbeiten“, so der Stuttgarter Verteidiger.

Ankläger nennt den Mann einen „Pechvogel“

Als 2011 die Unruhen in Syrien ausgebrochen seien, habe sich die syrische Armee des Machthabers Assad aus seinem Heimatort Hadjim zurückgezogen, sagt der Angeklagte. Er habe sich einer Gruppe junger Männer angeschlossen, die die Stadt beschützen wollte. Wie er dann zur Al-Nusra-Front gekommen ist, will er im Laufe des Prozesses berichten. Jedenfalls reiste er am 25. September 2014 als Flüchtling nach Deutschland ein und landete in einer Unterkunft im Kreis Böblingen, wo er am 19. September vorigen Jahres festgenommen wurde.

„Er ist eigentlich ein Pechvogel“, sagt Ankläger Maak. Denn die Behörden wären wohl nie auf den Mann gekommen, wenn er nicht eine Plastikschachtel in einem Zug vergessen hätte. Darin befand sich eine Speicherkarte mit Fotos. Darauf ist er mit Kämpfern der Al-Nusra-Front in Syrien zu sehen. Der Prozess wird fortgesetzt.