Sein Ehrgeiz zielt auf einen Michelin-Stern: Russell Pirrit, neuer Küchenchef im Restaurant 5. Foto: Michele Danze

Das Restaurant 5 in der Bolzstraße, präsentiert mit dem Neuseeländer Russell Pirrit den dritten Küchenchef in zwei Jahren.

Stuttgart - Wirkt hier der Geist des historischen Bahnhofs, der einst an dieser Stelle stand und von dem noch die schwarz lackierten und nietenbeschlagenen schweren Eisenträger im Lokal künden? Der Geist von Ankunft und Abschied im raschen Wechsel? Jedenfalls geht es in der Küche hinter Glas, durch das die Gäste des Restaurants 5 den Köchen auf die Finger schauen können, zu wie im Taubenschlag. Salopp gesagt.

Nach kaum einem Jahr hatte Michael Braun, hochgelobt und mit erstklassigen Sterne-Stationen in der Biografie aufwartend, das Lokal in der Bolzstraße verlassen, um sich in der Hauptstätter Straße mit dem Brauns selbstständig zu machen. Sein Nachfolger Marc Müller, der unter anderem bei Dieter Müller (drei Sterne) gekocht hatte, trat im Februar 2012 mit dem gleichen hohen Anspruch an und errang innerhalb eines halben Jahres seinen ersten Michelin-Stern.

Vom Sous-Chef zum Küchenchef

Dass auch er jetzt von der Fahne ging, hat den Patron Michael Zeyer nicht überrascht: „Bei Müllers häufigen Stellenwechseln musste man damit rechnen.“ Ob Müller in die Selbstständigkeit oder ins Ausland wechselt, sei wohl noch nicht raus, sagt Zeyer. So oder so: Der Abgang war die große Chance für den bisherigen Sous-Chef Russell Pirrit. Zeyer erkannte ihn als „absoluten Hochkaräter im Team“. Er ernannte ihn in der Gewissheit zum Küchenchef, dass er Kontinuität in der Qualität garantiert und dabei auch neue Akzente setzt. „Wenn sich eine Tür schließt, geht eine andere auf“, nickt Pirrit, der erst im Oktober letzten Jahres ins Restaurant 5 kam und davor bei den Stuttgarter Sterneköchen Benjamin Breitenbach (ehemals Restaurant Breitenbach) und Bernhard Diers im Hotel am Schlossgarten gearbeitet hat.

Der avantgardistischen Naturküche, die Zeyer von Anfang an in seinem Lokal bieten wollte und die Müller mit außergewöhnlicher Kreativität verwirklichte, will Pirrit nun noch die Handschrift seines eigenen Stils verleihen. Seine Philosophie: „Ich will mit jedem Teller eine Geschichte erzählen“, sagt Pirrit. Zum Beispiel vom Südpazifik, wofür er koreanisches Risotto, Kingfish und Hibiskus-Blüten auf Sand, essbar natürlich, anrichtet. Für die Geschichte der Erdbewohner serviert er Morcheln sowie Spargel, der in essbarer Erde steckt. Und mit dem Gericht aus Taube, Brennnessel und Rhabarber erzählt er von Natur und Lufthoheit. Das sei die Form von Erlebnisgastronomie, die er sich immer vorgestellt habe, sagt Zeyer. Aus den Kreationen mit sehr bildhaften Titeln kann man sich ein Drei-, Vier-, Sechs- oder Neun-Gänge-Menü (für 69, 79, 99 und 129 Euro, mit Weinbegleitung für 99, 119, 149 und 189 Euro) zusammenstellen.

So nachhaltig und regional wie möglich

Pirrit bekennt sich zur Lust am Spiel und zum Spaß an aufwendig angerichteten kulinarischen Kunstwerken. Diese gestalterische Fantasie muss er beim verlockend preiswerten Mittagsangebot (8,50 bis 16,50 Euro, Menü: 21,50 Euro) etwas zügeln. Er koche mittags aber mit derselben Leidenschaft und Sorgfalt, versichert Pirrit. Zur Seite stehen ihm dabei der Sous-Chef Alexander Neuberth, ausgezeichnet als bester Jungkoch des Jahres 2012, Pâtissier Alvaro Roman aus Spanien und Ivan Lazarenko aus Russland.

Ein internationales Team, denn der 32-jährige Küchenchef kommt vom anderen Ende der Welt, aus Auckland in Neuseeland. „Dort gibt es die besten Produkte“, so Pirrit. „Die Küche aber ist miserabel und uninspiriert.“ Dass in seinem Elternhaus, einer 1000-Hektar-Farm mit Viehzucht, die Esskultur nicht beim Grillen endete, sei dem Vater, einem Hobbykoch mit Gourmet-Anspruch, und der französischen Mutter zu verdanken. Gelernt hat er sein Metier dennoch in Neuseeland, um dann mit 21 Jahren die Insel in Richtung Europa zu verlassen: zuerst in die Schweiz, dann nach Frankreich, ins Zwei-Sterne-Lokal Laurent in Paris, und schließlich nach Deutschland.

Man wolle nicht stehen bleiben, sondern diese „nachhaltige Naturküche modernsten Zuschnitts“ immer weiterentwickeln, sagt Zeyer, ehemaliger Fußball-Profi bei VfB Stuttgart, der sich vor zwei Jahren mit dem 5 samt Bar und Gourmetrestaurant ins gastronomische Abenteuer gestürzt hat. „Wir sind Überzeugungstäter und verstehen uns als Bio-Laden, so nachhaltig und regional wie möglich.“ Gut, der eingeflogene Kingfish erfüllt diese Vorgaben nicht wirklich. Aber auf der kulinarischen Weltreise gibt es zum Beispiel kein Mineralwasser von den Fidschis – und auch keinen der hervorragenden Weine aus Pirrits Heimat. „Das wäre Unsinn bei den wunderbaren Weinen aus der Region.“

Russell Pirrit will in Deutschland bleiben, versichert, dass er Stuttgart mag, und ist mittlerweile sogar mit einer Schwäbin von der Alb verheiratet. Nun hat er erst mal sein wichtigstes Ziel im Visier: „Einen Michelin-Stern erkochen“, bekennt er rundheraus. „Das ist ganz wichtig für mein Selbstbewusstsein.“

Info

Restaurant 5, Bar und Gourmetrestaurant, Bolzstraße 8, 70173 Stuttgart, Telefon 07 11 / 65 55 70 11. Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 9 bis 1 Uhr, Donnerstag 9 bis 2 Uhr, Freitag und Samstag 9 bis 3 Uhr, Sonn- und Feiertage 9 bis 0 Uhr.