SWR-Intendant Peter Boudgoust Foto: dpa

ARD und ZDF wollten einen klassischen Jugendkanal haben. Aber die Politik sagte Nein. Nun soll es ab Mitte 2016 ein reines Jugendangebot im Internet geben. Die Inhalte? Noch völlig offen.

Stuttgart - Die öffentlich-rechtlichen Sender erhalten Zuwachs – wenn auch nicht in Form eines weiteren klassischen Hörfunk- oder Fernsehsenders. Stattdessen soll es ab Mitte nächsten Jahres ein Angebot speziell für 14- bis 29-Jährige im Internet geben. „Wir erreichen diese Zielgruppe nicht mehr ausreichend. Deshalb müssen wir was tun“, sagte Peter Boudgoust, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), am Donnerstag bei der Präsentation des Projekts in Stuttgart. Der SWR-Chef hatte sich seit Jahren vehement für einen eigenen Jugendkanal von ARD und ZDF eingesetzt, der die jungen Zuschauer sozusagen vom Kinderkanal abholt und zu den etablierten Programmen weiterführt. Doch mehrere Ministerpräsidenten lehnten das ab und billigten im Oktober 2014 nur eine Version, die ausschließlich online stattfindet. Die Verantwortlichen reagierten verschnupft und brauchten „zwei Tage und drei Nächte“ (Boudgoust), um das Veto der Politik zu akzeptieren.

Nun, ein Dreivierteljahr später, will von einer Niederlage niemand mehr etwas wissen. „Ein crossmedialer Kanal wäre das falsche Signal gewesen“, sagte Boudgoust. Angesichts des sich „komplett verändernden Mediennutzungsverhaltens“ junger Leute sei die einst angedachte Verbindung von Hörfunk, Fernsehen und Internet nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr müsse man die jungen Leute dort bedienen, wo sie unterwegs sind: „Die Zielgruppe entscheidet selbst, was, wo und wann sie etwas konsumiert und lebt mit dem Unterwegs-Medium“, also mit dem Internet.

Eine Sichtweise, die ZDF-Chefredakteur Peter Frey teilt. Es handle sich um „ein dynamisches Konzept“, das auch künftig ständig verändert werden müsse. „Das Angebot hat Laborcharakter“, so Frey. Die Nutzer würden „über die Inhalte und die Form der Beteiligung am Programm mit entscheiden“ und sich permanent vernetzen.

Boudgoust und Frey sind sich sicher, dass die Politik ihnen diesmal folgt. Am 18. Juni tagt die Rundfunkkommission der Länder und wird das auf 19 Seiten zusammengefasste „Jugendangebot von ARD und ZDF“, das unserer Zeitung vorliegt, beraten. Sollte es grünes Licht geben, will der Noch-Arte-Mann und künftige federführende Jugend-Kopf Florian Hager in den nächsten Monaten mit seinem Team in die konkrete Konzeption des Internetangebots gehen. Da werde es Informationsanteile, Comedy, Wissen, Service, Sport und natürlich viel Unterhaltung geben, betonte der 39-jährige Hager am Donnerstag. Zugleich räumte er ein, dass es ein schwieriger Weg werde, die Zielgruppe zu erreichen: „Wir werden hinfallen, aufstehen und weitermachen.“ Man plane „ein klares Profil, keinen Gemischtwarenladen“, wolle „nicht superhipp“ sein, durchaus „zugespitzt und selbstironisch, aber inhaltlich stets relevant“, die Nutzer würden „nicht verarscht“. Soll heißen: Ein werbefreies Angebot in öffentlich-rechtlichen Qualität – „aber eben etwas radikal anderes“, als man es bisher von ARD und ZDF gewohnt sei.

Den beiden Senderchefs ist freilich klar, dass der Weg über Plattformen wie You Tube steinig werden dürfte. „Wir bedienen eigentlich vier Zielgruppen“, sagte Frey. „Wir sind uns des Risikos eines Scheiterns bewusst“, machte auch Boudgoust klar.

Wie das Jugendangebot heißen wird, ist noch offen. Sicher ist, dass die Jugendmannschaft mit rund 60 Mitarbeitern in Mainz ihren Sitz hat. Und dass für den Web-Auftritt ein Jahresetat von 45 Millionen Euro bereitsteht: Die ARD zahlt zwei Drittel, das ZDF ein Drittel. Zur Gegenfinanzierung werden die Digitalkanäle ZDF Kultur und Eins plus eingestellt. „Da ist der Deckel drauf“, beteuerte Boudgoust, dass es keine weiteren Gebührengelder geben wird.