Rund 250 Millionen Menschen erkranken jährlich an Malaria, knapp eine Million sterben an der Fieberkrankheit, darunter vor allem Kinder. Schutz bieten bislang nur Moskitonetze und Medikamenten zur Vorbeugung Foto: EPA

Tübinger Wissenschaftler haben einen Impfstoff gegen Malaria in Afrika getestet – Zulassung ist noch dieses Jahr möglich. Doch aufgrund der schwachen Schutzrate sind die Reaktionen der Malaria-Experten geteilt.

Tübingen - Man betrachte nur die Zahlen: 15 000 Kinder erhalten eine Impfung gegen die Tropenkrankheit Malaria, deren Schutz je nach Alter zwischen 26 und 36 Prozent liegt. Das bedeutet: Etwa 5000 Kinder sind tatsächlich vor dem Erreger geschützt.

Wie ist so ein Impfstoff medizinisch zu bewerten? Als eine „herbe Enttäuschung“, wie es der Infektionsbiologe Kai Matuschewski vom Berliner Max-Planck-Institut in der „Süddeutschen Zeitung“ formuliert – weil die Schutzrate weit unter den ansonsten von Impfungen erwarteten Zahlen liegt.

Rund 250 Millionen Menschen erkranken jährlich an Malaria

Oder ist es tatsächlich der „Meilenstein der Medizin“, wie es am Freitag Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Uniklinikum Tübingen in der Pressekonferenz vor Funk und Fernsehen verkündet und wie es auch in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde.

Die Begeisterung des Tübinger Professors Kremsner kommt nicht von ungefähr: Die Einführung eines Malaria-Impfstoffs für Kinder in Afrika ist nicht umsonst eines der wichtigsten Vorhaben der infektiologischen Forschung und Gesundheitspolitik.

Rund 250 Millionen Menschen erkranken jährlich an Malaria, knapp eine Million sterben an der Fieberkrankheit, darunter vor allem Kinder. Schutz bieten bislang nur Moskitonetze und Medikamenten zur Vorbeugung. Doch letztere sind so teuer, dass sie sich kaum einer der Einheimischen leisten kann.

Seit vier Jahren wird der Impfstoff in sieben afrikanischen Ländern getestet

Zwar wird weltweit an vielen Impfstoffen geforscht, aber nur einer hat es bislang in die Phase drei – also in die des Feldversuchs – geschafft: Der Wirkstoff namens RTS, S, entwickelt von dem Pharmaunternehmen Glaxo-Smithkline (GSK), besteht aus einem Bruchstück des Malaria-Erregers, gekoppelt mit einem Stück des Hepatitis-B-Virus. Diese Kombination soll das Immunsystem fit gegen den Malaria-Erreger machen.

Seit vier Jahren wird der Impfstoffkandidat schon an elf Zentren in sieben afrikanischen Ländern zwischen Burkina Faso und Tansania getestet. Der Infektionsmediziner Peter Kremsner und sein Tübinger Team leiten davon als einzig deutsche Teilnehmer eine dieser Studien in Gabun.

Bei diesem Feldversuch, der von der Bill-Gates-Stiftung mitfinanziert wird, bekamen Tausende Kinder im Alter zwischen zwei Monaten und einem Jahr entweder eine Impfung, eine Impfung und eine Auffrischung oder nur ein Placebo gespritzt. „Die Studie zeigt, dass die Impfung in drei Dosen die Malaria bei Säuglingen in etwa 26 Prozent und bei Kleinkindern in etwa 36 Prozent der Fälle verhindern kann. Und zwar über die gesamte Dauer der Beobachtung“, sagt Kremsner.

Zwar werden die Impfungen sehr gut vertragen, Sorge macht den Forschern aber ein erhöhtes Auftreten der Hirnhautentzündung. Im Laufe der vier Jahre erkrankten daran 22 Kinder. „Es ist völlig unklar, ob dies überhaupt mit dem Impfstoff zusammenhängen“, so Kremsner.

Forscher hoffen auf mehr Geld für die Suche nach besseren Impfstoffen

Ein Scheitern der Zulassung fürchten die Tübinger Experten deswegen nicht. Derzeit wird der Wirkstoff von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit beurteilt.

Geht alles nach Plan, könnten schon im Oktober die ersten afrikanischen Säuglinge geimpft werden – und das, ohne dass deren Eltern dafür bezahlen müssen. „Wir denken, dass mit den Mitteln der globalen Impfallianz Gavi die Finanzierung der Malaria-Impfung gesichert ist“, sagt Kremsner.

Gleichzeitig hoffen die Tübinger auf die Bereitstellung weiterer Mittel für Suche nach besseren Malaria-Impfstoffen. „Das hier darf nur der Anfang sein“, sagt Kremsner. So lange es aber keinen wirksameren Schutz gegen Malaria gibt, bleibt er dabei: Der Impfstoff RTS, S ist ein Durchbruch: „Auch wenn nur jedes dritte Kind geschützt wird, ist das besser als nichts.“