Für den Audi A8 wurde in Neckarsulm ein neuer Karosseriebau errichtet, wo 500 Roboter im Einsatz sind. Die Halle ist so groß wie elf Fußballfelder. Foto: Audi

Das Flaggschiff A8 macht den Anfang: In kurzem Takt gibt es einen Generationswechsel bei den wichtigsten Baureihen. Der Betriebsrat fordert die zusätzliche Produktion eines Geländewagens und die Fertigung von Elektroautos.

Stuttgart - Bei Audi steht in diesem Jahr auf der Automesse IAA der neue A8 im Mittelpunkt. Es ist die vierte Generation des Flaggschiffs der Marke, deren wichtigsten Wettbewerber die S-Klasse von Mercedes-Benz und der 7er von BMW sind. Im Werk Neckarsulm, wo die Oberklasselimousine in zwei verschiedenen Längen produziert wird, ist dafür kräftig investiert worden. „In den letzten gut drei Jahren sind rund zwei Milliarden Euro in Neckarsulm investiert worden, vor allem für den neuen A8, den A6 und den A7“, berichtet Werkleiter Helmut Stettner. Denn neben dem Flaggschiff werden auch die anderen beiden Kernbaureihen des Standorts erneuert. Das Coupé A7 feiert im nächsten Monat Weltpremiere, der A6, der mit der E-Klasse von Mercedes-Benz und dem 5er von BMW konkurriert, folgt im Frühjahr.

„Solch eine Dichte neuer Anläufe hatten wir noch nie in Neckarsulm. Das ist eine große Herausforderung. Wir haben den Standort und die Mitarbeiter intensiv darauf vorbereitet, denn alles muss Hand in Hand gehen“, sagt Stettner. Unter anderem wurden ein neuer Karosseriebau und eine Montagehalle errichtet. Die Ergonomie habe bei den Fertigungsanlagen für den A8 ganz oben auf der Aufgabenliste gestanden. „Mit den neuen Gehängen kann das Fahrzeug gedreht und auf die optimale Höhe gebracht werden“, erläutert der Werkleiter.

Die neue Generation des A8 habe deutlich mehr Fertigungstakte, weil er deutlich mehr Technologie enthalte, sagt Jochen Wagner, der in Neckarsulm für diese Baureihe zuständig ist. So sind etwa eine ganze Reihe von Radar- und Ultraschallsensoren sowie eine Frontkamera eingebaut. Als erster Autohersteller überhaupt verwendet Audi nach eigenen Angaben auch einen Laserscanner, der die Straße abtastet.

Mit all diesen künstlichen Augen und Ohren will der Autobauer einen Schritt nach vorn zum hoch automatisierten Fahren machen. Bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h soll der Fahrer auf der Autobahn und auf autobahnähnlichen Bundesstraßen die Hände vom Lenkrad nehmen und dem elektronischen Staupiloten das Gasgeben, Bremsen und Lenken überlassen können – bis er von der Elektronik in komplizierten Situationen wieder aufgefordert wird, das Steuer zu übernehmen. Noch fehlen allerdings einige rechtliche Voraussetzungen. Zudem ist die rechtliche Lage in den einzelnen Ländern unterschiedlich, so dass der Staupilot vom nächsten Jahr an Schritt für Schritt eingeführt werden soll.

Nach Europa wird der A8 in China eingeführt

Derzeit werden die neuen A8 für die Markteinführung hergestellt. „Zunächst produzieren wir für die Markteinführung in Europa, dann folgt China, unser wichtigster Markt für den A8. Im nächsten Jahr folgen unter anderem die USA, die ebenfalls eine große Rolle für den A8 spielen“, zählt Wagner die Anläufe für die verschiedenen Regionen auf.

Der Generationswechsel bei den wichtigsten Baureihen, aber auch eine deutliche Schwäche beim A4, der sowohl in Ingolstadt als auch in Neckarsulm produziert wird, haben dazu geführt, dass die Produktion bereits 2016 zurückging und in diesem Jahr weiter abnehmen wird. „Wir hatten einige Ausfallschichten in diesem Jahr, die alle über die Zeitkonten der Mitarbeiter ausgeglichen wurden“, sagt der Neckarsulmer Betriebsratschef Rolf Klotz. „In den letzten Jahren haben wir beim A4 feststellen müssen, dass der Trend zu Geländewagen dazu führt, dass Limousinen nicht mehr so stark wie früher gefragt sind“, sagt Klotz. Verteilungskämpfe zwischen Ingolstadt und Neckarsulm gebe es aber nicht.

Der Produktionsrückgang, aber auch der Abgasskandal haben nach Angaben des Betriebsratschefs dazu geführt, dass die Stimmung in der Belegschaft nicht gerade bestens sei. Bei den Motorenentwicklern in Neckarsulm wurden Dieselmotoren mit verbotenen Abschalteinrichtungen entwickelt, ein Neckarsulmer Ingenieur sitzt in München in Haft.

Die wichtigsten Fakten zum Diesel-Skandal und wie auch Audi daran verwickelt ist, sehen Sie im Video:

„Die Audianerbrust ist heute nicht so stolzgeschwellt wie sie schon in der Vergangenheit war“, sagt Klotz. Neckarsulm sei immer stolz auf seine Dieselmotoren gewesen. Derzeit besteht die Stammbelegschaft aus rund 16 700 Mitarbeitern – so viele wie nie. Der Betriebsratschef erwartet, dass die Beschäftigung in den nächsten Jahren stabil gehalten werden kann. „Wir könnten allerdings mit einer höheren Auslastung durchaus noch ein paar Leute mehr beschäftigen“, sagt Klotz.

Im vergangenen Dezember hat der Betriebsrat zur längerfristigen Beschäftigungssicherung einen „Masterplan Perspektive Neckarsulm“ beschlossen. Eine zentrale Forderung ist, dass auch ein Q-Modell, also ein Geländewagen von Audi, in Neckarsulm produziert wird. „Die Kunden wünschen immer mehr Geländewagen, und wir in Neckarsulm können uns keine Scheibe von diesem Kuchen abschneiden“, sagt der Betriebsratschef. Werkleiter Stettner macht ihm dabei keine allzu großen Hoffnungen: „Ich möchte mich nicht auf ein Q-Modell festlegen. Vielmehr möchten wir grundsätzlich Autos für die Zukunft in Neckarsulm bauen.“

Der Betriebsratschef hofft, dass Audi in den nächsten Jahren auch bei den Geländewagen deutliche Schritte in Richtung Elektrifizierung macht. „Eines dieser Modelle würde möglicherweise gut nach Neckarsulm passen“, meint Klotz. Weil es einen Vorlauf bei der Planung der Investitionen gebe, müsste im nächsten Jahr klar werden, ob hier etwas gehe oder nicht. „Die Produktion eines Elektroautos steht ganz oben auf unserer Agenda“, betont Klotz.

Audi will auch Geländewagen elektrifizieren

Möglicherweise wird in Neckarsulm auch ein Brennstoffzellenauto vom Band laufen. Der Standort spielt im VW-Konzern die führende Rolle bei dieser Antriebsart. In den vergangenen Jahren ist die Mannschaft hier deutlich gewachsen. Auch das Prüfzentrum wurde erweitert. „Jetzt sind wir in der Phase, in der wir die Brennstoffzelle serientauglich machen müssen“, sagt Stettner und fügt hinzu: „Die Technologie wird am Standort entwickelt, da ist es doch klar, dass wir uns freuen würden, Autos mit diesem Antriebskonzept zu bauen.“