Der Künstler Hinrich Zürn hat die Kunstinstallationen für den Wanderweg geschaffen Foto: Kiunke

Der Eppinger Linienweg, ein neu prämierter Wanderweg in Baden-Württemberg, ist ein Glücksfall. An seiner Strecke finden sich Kunstinstallationen, die ein dunkles Kapitel Heimatgeschichte erzählen, dabei immer auch einen aktuellen Bezug haben.

Eppingen - Ein Schachbrett am Waldrand, es gibt nur zwei Figuren: Könige und Bauern. Die Herrscher stehen sich gegenüber, einer schwarz, einer weiß. Zwischen ihnen das einfache Gefolge, das sich chaotisch über das Brett verteilt. Die Figuren haben ein menschliches Antlitz und tragen unterschiedliche Farben. Manche liegen wie tot auf dem Boden, andere recken verzweifelt die Arme in die Höhe, wieder andere stehen mit gesenktem Kopf da. „Bauernopfer“ hat der Künstler Hinrich Zürn diese Installation bezeichnenderweise genannt, denn „egal, welchen Schachzug die Könige machen, es leiden immer die Bauern“. Sie sind die willfährige Verfügungsmasse der Herrscher, die, wenn nötig, jederzeit geopfert wird. Im Kraichgau und der Kurpfalz haben die Menschen das in der Vergangenheit auf besonders grausame Art erfahren müssen.

Im 17. Jahrhundert überquerten die Truppen des französischen Sonnenkönigs Ludwigs XIV. immer wieder den Rhein, setzten Städte und Dörfer in Brand, töteten Menschen und verwüsteten ganze Landstriche. Das Heidelberger Schloss wurde niedergebrannt, Städte wie Bruchsal oder Mannheim dem Erdboden gleichgemacht. „Die Politik der verbrannten Erde wurde damals erfunden“, erzählt Hinrich Zürn.

Zum Schutz gegen den Einfall der feindlichen Franzosen begann man 1695 mit dem Bau eines kilometerlangen Schutzwalls an der Grenze zwischen Kraichgau und Stromberg, dort, wo die leicht gewellte Landschaft mit Weinhängen und Feldern zur bewaldeten Hügelkette des Strombergs ansteigt. Entlang dieser sogenannten Eppinger Linie verläuft heute auf einer Strecke von 40 Kilometern der gleichnamige Wanderweg. Er verbindet die Städte Eppingen und Mühlacker. Wie beim Limes sind auch bei dieser Verteidigungsanlage die Narben des Eingriffs noch erkennbar. Die Linie bestand aus einem tiefen Graben und einem meterhohen Wall – der Weg verläuft entlang dieser Kerbe, im Wald als tiefer Einschnitt im Gelände zu sehen.

Die Plackerei mit dem Bau veranschaulicht die Skulptur „Mühsal“

Dieses Kapitel regionaler Heimatgeschichte wollte Dietmar Gretter, Geschäftsführer des Naturparks Stromberg-Heuchelberg, wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung rufen. Aber nicht mit den üblichen Info-Tafeln. Gretter schwebte ein Kunstprojekt vor und er beauftragte den Künstler Hinrich Zürn mit der Umsetzung. Ein Glücksgriff: Der Mann mit Kraichgauer Wurzeln hat neun Installationen geschaffen, die dem Wanderer Vergangenes vermitteln, dabei aber immer auch einen Bezug zur Gegenwart herstellen. Jede Station erzählt einen Aspekt aus dieser düsteren Epoche. Deformierte, ineinander verflochtene Ortsschilder veranschaulichen die Zerstörung der Dörfer. Die Plackerei mit dem Bau der Verteidigungslinie zeigt die Skulptur „Mühsal“: eine gebeugte Figur mit einem schweren Sandstein auf dem Rücken. „Männer, Frauen, sogar Kinder wurden zur Arbeit gezwungen“, erzählt Hinrich Zürn. Gegraben wurde von Hand, eine unglaubliche Plackerei, denn das Gelände war felsig, Hilfsmittel rar. Allein 18 000 Palisaden wurden eingerammt, unvorstellbare 1,6 Millionen Kubikmeter Erde bewegt. Die Folgen für die Bevölkerung waren gravierend: Durch die Frondienste lagen die eigenen Felder brach, Hungersnöte prägten die Wintermonate, in manchen Gemeinden verdoppelte sich die Todesrate.

„Bauernopfer gibt es auch heute“, findet Zürn und verweist auf global tätige und mächtige Industriekonzerne, deren Umsatz größer sei als der Haushaltsumfang manches europäischen Staates. Zürn, der auch in Frankreich studierte und dort ein Ferienhaus besitzt, war es zudem ein Anliegen, nicht nur die kriegerische Vergangenheit mit dem Nachbarn darzustellen, sondern auch die Überwindung der jahrhundertelangen Erbfeindschaft. Politischen „Weitblick“ bewiesen für ihn Konrad Adenauer und Charles de Gaulle kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Ihnen widmete er die gleichnamige Installation, eine der eindruckvollsten Stationen am Weg, passenderweise an einem ehemals militärisch wichtigen Aussichtspunkt gelegen.

Die Eppinger Linie wurde nie angegriffen

Zwei große, auf drehbaren Achsen montierte Spiegel stehen sich hier gegenüber, in denen sich die sanften Hügel des Kraichgaus bis ins Unendliche spiegeln. Das eigene Spiegelbild erscheint jedoch sehr verzerrt. Erst wenn man näher herantritt oder den Standpunkt ändert, gewinnt es an Schärfe und wird klar. Zu solchem „Perspektivwechsel“ will Zürn auffordern.

Auch mit nachdenklich machenden Fragen, das eigene Leben betreffend, kann sich der Wanderer an den Kunstwerken auseinandersetzen. Das Chaos der wild übereinander geworfenen Palisaden in der Station „Verhack“ zeigt dann nicht nur eine Methode zur Abwehr feindlicher Soldaten, sondern wird zum Symbol für das Verfangensein in Lebenssituationen. Verhack nannte man den mit Baumstämmen und Ästen aufgefüllten Abschnitt vor dem Graben – für barocke Truppen ein schweres Hindernis.

Drei Jahre lang dauerte der Bau der Eppinger Linie. Ironie der Geschichte: Sie wurde nie angegriffen. „Ob sie letztlich sinnlos war oder ihren Zweck voll erfüllt hat, das bleibt offen“, sinniert Zürn. Eine Mahnung bleibt sie in jedem Fall. Heute bestehe die Mühsal nicht im Bau einer militärischen Anlage, sondern „in der Erhaltung des Friedens“. Wohl wahr.

Neue Wanderwege in Baden-Württemberg

Wanderweg Eppinger Linie
Der 40 Kilometer lange Weg verläuft von Eppingen bis Mühlacker und kann in beide Richtungen begangen werden. Er ist perfekt ausgeschildert, so dass eine Karte nicht unbedingt notwendig ist. Neun Skulpturen und Installationen finden sich an der Strecke. Es gibt ein Faltblatt mit Karte und Erklärungen zu den Kunstwerken, erhältlich beim Naturpark Stromberg-Heuchelberg, Ehmetsklinge 1, 74374 Zaberfeld, Telefon 0 70 46 / 88 48 15. Weitere Infos auch unter www.naturpark-stromberg-heuchelberg.de. Am Samstag, 24. Juni, findet ein Wandermarathon mit drei unterschiedlich langen Touren statt. Anmeldung beim Naturpark.

Neue Wanderwege im Land
Paradies-Tour Krottenbachtal (11 km) und Paradies-Tour Unteres Glasbachtal (11,5 km), beide im Schwarzwald-Baar-Kreis. Infos: Wander-Paradies Schwarzwald und Alb, www.rad-und-wanderparadies.de Durchs romantische Wildbachtal (16,5 km) in Boxtal im Taubertal. Infos: Tourismusverband Liebliches Taubertal, www.liebliches-taubertal.de U(h)rwaldpfad Rohrhardsberg (8,7 km), bei Schonach im Schwarzwald, Info: Rad- und Wanderparadies Schwarzwald und Alb, Kontakt E-Mail: info@rad-und-wanderparadies.de, www.rad-und-wanderparadies.de Aacher Geißbock (13,8 km) und Alter Postweg (9,1 km) im Hegau am Bodensee, Infos: Hegau Tourismus, Tel.: 0 77 31 / 8 52 62, www.hegau.de Himmelsteig in Bad Peterstal (10,6 km), Info: Tourist-Information, Tel.: 0 78 06 / 91 00 - 0, www.bad-peterstal-griesbach.de Ibacher Panoramaweg (11,6 km), Infos: Rathaus Ibach, Tel.: 0 76 72 / 842 (Montagnachmittag und Donnerstagvormittag). www.ibach-schwarzwald.de