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Viele Tassen Kaffee vermitteln nach neuen Erkenntnissen nur das Gefühl, wacher zu sein.

Bremen - 150 Liter Kaffee trinkt der Durchschnittsdeutsche pro Jahr - und schätzt vor allem die aufputschende Wirkung. Forscher haben jetzt aber herausgefunden, dass zu viel Kaffee müde, traurig und unkonzentriert macht.

Schön war die Geburtstagsparty, und lang war sie auch. Aber mit einer extra Tasse Kaffee am nächsten Morgen wird man den Kater schon so weit vertreiben können, dass auf dem Weg zur Arbeit kein Unfall passiert.

Von wegen, sagen jetzt Forscher der Northern Kentucky University. Bei einem Test an Studenten haben sie herausgefunden, dass Koffein - der Hauptwirkstoff von Kaffee - in hohen Dosierungen das Reaktionsvermögen eher verschlechtert und keinesfalls die Wirkungen von Alkohol dämpft. "Die Probanden glaubten zwar, frisch und munter zu sein", sagt Studienleiterin Cecile Marczinski, "doch in ihren Tests zeigten sie eine enorme Langsamkeit und Fehlerquote." Und das, so die Psychologin weiter, sei besonders gefährlich für den Autoverkehr, weil sich ja die Betroffenen mehr zutrauen würden, als sie tatsächlich leisten könnten.

Kaffee als Trägmacher-Droge

Der Kaffee als Trägmacher-Droge, die allenfalls einen Schein von Wachheit bringt. In letzter Zeit häufen sich die Hinweise darauf, dass Deutschlands beliebtes Frühstücksgetränk ganz anders wirken kann, als man von ihm erwartet. So berichten Psychiater, dass Erwachsene mit ADS (dem Aufmerksamkeitsdefizit- oder Zappelphilipp-Syndrom) nach dem Verzehr von Koffein "geradezu paradox" reagieren und oft viel ruhiger werden als sonst. Aber auch gesunde Menschen erzählen davon, dass sie ein Kaffee vor der Nachtruhe nicht sonderlich störe - und sie sogar Schlafprobleme hätten, wenn sie darauf verzichten würden.

Für diese Phänomene gibt es vor allem zwei Erklärungen. Die eine beruht auf dem biologischen Prinzip der Homöostase: Jeder Organismus will in sich ein Gleichgewicht der Kräfte schaffen. Was beispielsweise bedeutet, dass er sich, wenn er durch ADS oder Alkohol schon erregt ist, durch Koffein nicht noch weiter - möglicherweise sogar bis zur Totalerschöpfung - aufputschen will, sondern die Notbremse zieht und umgekehrt die Signale zur Beruhigung gibt.

Der zweite Erklärungsansatz liegt in der besonderen Wirkungsweise von Koffein. Es mobilisiert nämlich die Ausschüttung anregender Neurotransmitter, wie etwa Dopamin und Adrenalin. Allerdings vergrößern diese Substanzen auch den Querschnitt der Blutgefäße und Atemwege, und das geschieht in der Regel sehr schnell.

Kaffee senkt Blutdruck und die Atemfrequenz

Das bedeutet konkret, dass Koffein zunächst den Blutdruck und die Atemfrequenz senkt - was viele Menschen als beruhigend empfinden - und erst 15 bis 20 Minuten später das Gehirn unter Hochspannung setzt. Deswegen kann dann die Tasse Kaffee unmittelbar vor der Bettruhe tatsächlich beruhigen; doch wer danach zu lange wartet, bis er ins Bett geht, riskiert eine schlaflose Nacht.

Auch auf Konzentration und Lernfähigkeit wirkt Kaffee keineswegs eindeutig, und zwar deswegen, weil die von ihm angeregten Botenstoffe so unterschiedlich wirken. "Koffein unterstützt das kontemplative, ziellose Lernen", erklärt die französische Hirnforscherin Astrid Nehlig. "Doch es hat keinen Effekt, wenn das Lernen intentional einen bestimmten Zweck verfolgt." Wer also entspannt ein Buch liest und dabei Kaffee trinkt, wird vieles von dem Gelesenen in seinem Gedächtnis verankern. Wer hingegen angespannt fürs Examen büffelt, profitiert nicht davon.

Auch bei Depressionen zeigt sich das Janus-Gesicht des Kaffees. "In niedrigen Dosierungen schützt er vor Stimmungsschwankungen, in hohen Dosierungen hingegen kann er sie provozieren", sagt Diego Lara von der katholischen Pontificia Universität in Porto Alegre. Der Grund: Hoch dosiertes Koffein kann gerade bei Menschen, die nicht daran gewöhnt sind, zu Ängsten führen, die bekanntermaßen in einem Stimmungsloch enden können. Wer hingegen, so der brasilianische Psychiater weiter, bei vier Tassen pro Tag bleibt, sorgt eher für psychische Stabilität.

Kaffee gegen Depression

In einer aktuellen Erhebung der Harvard School of Public Health zeigten Kaffeetrinker ein bis zu 20 Prozent verringertes Risiko für Depressionen, und die Quote wäre wohl noch niedriger ausgefallen, wenn sie gesünder gelebt hätten. Doch das taten sie nicht. Die amerikanische Studie zeigte vielmehr, dass Kaffeekonsumenten öfter rauchen, mehr Alkohol trinken und weniger in sozialen Gemeinschaften eingebunden sind, die ihre Psyche stützen könnten.

Bleibt die Frage, ob dieses suchtanfällige und sozialschwache Verhalten die Folge oder aber die Ursache des regelmäßigen Kaffeekonsums ist.