Wenig Geld im Ruhestand: Das wird für die Beschäftigten mit unterbrochenen Erwerbsbiografien zum Problem. Foto: dpa

Von Altersarmut werden in Zukunft viele Selbstständige, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Geringverdiener betroffen sein. Die große Koalition kam hier nicht voran. Notwendig sind gezielte Antworten der Politik.

Berlin - Es ist ein Schreckgespenst, das regelmäßig auftaucht: die Altersarmut. Es vergeht kaum eine Woche, in der Studien nicht eine drastische Zunahme der Altersarmut prognostizieren. Die Bertelsmann Stiftung warnt jetzt davor, dass das Rentensystem nicht auf die steigende Zahl von Beschäftigten mit flexiblen Arbeitsverhältnissen, unterbrochenen Erwerbsbiografien und geringem Einkommen vorbereitet sei. Die Erkenntnisse sind zwar nicht neu. Weil sich die Probleme erst in der Zukunft in voller Wucht zeigen, steckt die Politik aber den Kopf in den Sand. Dabei ist klar, dass etwas passieren muss.

Ist Altersarmut verbreitet?
Im Alterssicherungsbericht der Regierung steht, dass die heutige Rentnergeneration überwiegend gut versorgt ist. Diese Einschätzung teilt auch die Wissenschaft. Die Rentner profitieren in den meisten Fällen davon, dass früher feste, langjährige Arbeitsverhältnisse die Regel waren. Momentan sind rund drei Prozent der 65-Jährigen und Älteren auf staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen. Das sind rund eine halbe Million Menschen. Im Vergleich zu den rund 21 Millionen Rentner ist das nur ein geringer Teil. Alle Experten sind sich aber einig, dass von Altersarmut künftig mehr Menschen betroffen sein werden.
Was sagt die aktuelle Studie?
Die Bertelsmann Stiftung kommt zum Ergebnis, dass von Altersarmut künftig am stärksten alleinstehende Frauen, Menschen ohne Ausbildung und Langzeitarbeitslose betroffen sind. Und die Forscher stellen noch etwas fest: Die bisherigen Reformkonzepte lösen das Problem der Altersarmut nicht. Denn sie wirken nicht zielgenau. Diese Einschätzung ist wohl richtig, denn Parteien verfahren oft nach dem Gießkannenprinzip. So verspricht die SPD zum Beispiel, dass das Rentenniveau auf dem heutigen Stand stabilisiert werden soll. Doch das kann das Problem der Altersarmut noch nicht entschärfen. Die Bertelsmann Stiftung schlägt in ihrer Studie einen alarmistischen Ton an. Die Studie sagt voraus, dass bis 2036 jeder fünfte Rentner armutsgefährdet sein wird. Heute sind es 16 Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass alle diese Personen wirklich arm sind und Anspruch auf Grundsicherung haben. Die Stiftung legt einen anderen Maßstab aus der Armutsdebatte an: Als armutsgefährdet gelten bei ihr Rentner, wenn deren monatliches Nettoeinkommen unter 958 Euro liegt. Das ist nicht zu verwechseln mit der Grenze, von der an die staatliche Grundsicherung greift. Sie liegt in der Regel niedriger, ist wegen der Miete aber regional unterschiedlich.
Warum soll gehandelt werden?
Die Rentenpolitik wirkt langfristig. Deshalb muss vorausschauend umgesteuert werden. Es zeigt sich, dass ein bestimmter Personenkreis besonders von Altersarmut betroffen ist. Darauf weist die Deutsche Rentenversicherung Bund seit Jahren hin. Die Rentenversicherung fordert zum Beispiel, dass Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden müssen. Das soll für die Gruppe von Selbstständigen gelten, die nicht in Versorgungswerken oder anderen Berufseinrichtungen abgesichert sind, die es für Mediziner, Anwälte und Handwerker gibt. Die Statistik zeigt, dass der Handlungsbedarf groß ist. Die Hälfte der Selbstständigen verfügt im Alter laut Alterssicherungsbericht über Nettoeinkommen von unter 1000 Euro. Selbstständige sind auch in höherem Maß auf staatliche Grundsicherung angewiesen: einfach aus dem Grund, weil viele von ihnen nicht in verpflichtende Alterssicherungssysteme einbezahlt haben. Auch Alleinerziehende, Geringverdiener, Bezieher von Erwerbsminderungsrenten und Langzeitarbeitslose stehen im Alter oft ohne ausreichende Absicherung da.
Wer fällt in Grundsicherung?
Die Statistik zur staatlichen Grundsicherung ist ernüchternd: Laut Alterssicherungsbericht sind auf die Sozialhilfe im Alter auffallend viele Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung angewiesen. Unterschätzt wird auch, wie viele Menschen in Deutschland leben, die noch nie in ihrem Leben erwerbstätig waren: deren Anteil an den Grundsicherungsempfängern beträgt laut Statistik immerhin ein Drittel.
Was kann die Politik tun?
Erste Antworten haben die Parteien gegeben. „Das Problem der Altersarmut lösen wir nicht mit dem Gießkannenprinzip“, sagt der Unions-Rentenpolitiker Peter Weiß. Er schlägt vor, in der nächsten Wahlperiode staatliche Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose schaffen. Damit hätten die Menschen ohne Job eine Chance, Rentenansprüche zu erwerben. Die Union will über neue Ansätze in der Rentenpolitik aber erst in der nächsten Wahlperiode sprechen. Immerhin wurden in dieser Legislaturperiode von der Koalition Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten umgesetzt. Doch ein Gesamtkonzept gegen Altersarmut fehlt. Weiter ist da die SPD. Sie fordert eine Solidarrente, die bei langjähriger Beschäftigung eine Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus garantiert. „Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter mehr haben als Grundsicherung“, sagt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).