Kommissar Kluftinger (Herbert Knaup) jagt einen Serienkiller. Foto: dpa

Mit „Herzblut“ und „Schutzpatron“ zeigt die ARD zwei neue Filme aus dem Kluftinger-Kosmos. Doch inzwischen geht Herbert Knaup als Kommissar ziemlich routiniert zu Werke.

Stuttgart - Ächzen, schnaufen, stöhnen, schwitzen: Und wieder wuchtet dieser Kluftinger sein mit Kässpatzen angefuttertes Übergewicht durch die Welt – und leidet. Zum einen an dem neuen blutrünstigen Fall, der so gar nicht in sein geliebtes Allgäuidyll passen will: Ja, eine Mordserie, die man ob ihrer Grausamkeit viel eher im Wallander-Land Schweden verorten würde, treibt den Kemptener Hauptkommissar (Herbert Knaup) und seine Kollegen Maier (Johannes Allmayer) und Hefele (Jockel Tschiersch) vor sich her. Der Täter erschlägt die Opfer und schneidet ihnen hernach das Herz heraus; am Tatort hinterlässt er Streichholzheftchen – jedes Mal ist ein Hölzchen weniger drin.

Zum andern aber ist der vornamenlose Kommissar in „Herzblut“ sich selbst die größte Plage: Das Herz schmerzt, die Panik umklammert die Brust, immer wieder vernebeln Halluzinationen seine Sinne. Der Check-up bei seinem Lieblingsfeind, Dr. Langhammer (Bernhard Schütz), lässt das Allerschlimmste befürchten. Also gibt sich der gewohnheitsliebende Stoiker einen Fitness-Ruck, mampft Möhren, trinkt koffeinfreien Kaffee.

Ein Schwätzchen mit den Damen vom Bordell

Im ersten Fernsehfall „Erntedank“ hatte Herbert Knaup noch an die zwölf Kilo für die Rolle zugelegt, um sie danach wieder abzuspecken. Das war 2009, seither spielt er den ungehobelten Allgäuer Kommissar, den Volker Klüpfel und Michael Kobr einst in die Welt setzten. Die Zehn macht die Heimatkrimi-Reihe bald voll, in diesem Jahr ist mit „Himmelhorn“ der neunte Band erschienen. Längst haben die geschäftstüchtigen Autoren ihre Bestsellerfigur mit Comedy-Lesungen, Kochbüchern, Brettspielen und Tourismusrouten rundumerschlossen.

Knaup schlüpft inzwischen in den Fettanzug, um Leibesfülle und Unbeholfenheit überzeugend zu simulieren, was ihm auch in „Herzblut“ und „Schutzpatron“ gelingt – die beiden neuesten Verfilmungen aus dem Kluftinger-Kosmos sind jetzt im Abstand von einer Woche in der ARD zu sehen.

Routine hat sich eingestellt: Das gilt nicht nur für dieses Ausstattungsdetail, sondern fürs Ganze. Kluftis oller Passat (der ihm in „Schutzpatron“ zeitweise abhanden kommt), das milchwarme Allgäuerisch, das bieder-muffige Zuhause, der seltsame Singsang, in den der Kollege Richie Maier seine Besserwisserei verpackt, das Schwätzchen mit den Damen vom Bordell gegenüber vom Kommissariat – alles scheint einem sattsam vertraut.

Alles dreht sich um die schrullige Hauptfigur

Daran ändert auch der Wechsel auf dem Regiestuhl nichts, der mit Nummer vier und fünf der Verfilmungen von Rainer Kaufmann zu Lars Montag vollzogen wurde. Letzterer tut in „Herzblut“ das Naheliegende, schlachtet die visuellen Reize der Rummelplatz-Kulisse aus, in die die „Herzblut“-Ermittlungen führen, spielt mit dem Geisterbahn-Grusel.

Aber auch wenn Figuren wie der Schießstandbetreiber Fink (Albert Kitzl) und seine Frau (Rosmarie Mohr) mit knorrig-authentischen Darstellern besetzt sind, ändert das wenig daran, dass die Hauptfigur mit ihrer tumb-trotteligen Art nicht mehr so verfängt wie einst. Kluftingers hinterwäldlerische Ablehnung der technischen Errungenschaften der Moderne etwa mag vor 13 Jahren, als Klüpfel und Kobr ihre Figur kreierten, noch komisch gewesen sein, heute wirkt das ewige Digitalisierungs-Deppentum schal.

Umso wichtiger wäre es, neue Facetten zu zeigen, eine Entwicklung hinzubekommen. Die Autoren (Alex Buresch bei „Herzblut“; Stefan Holtz und Florian Iwersen bei „Schutzpatron“) versuchen das zwar: So lässt sich Klufti auf eine Yogastunde ein, wird nicht mehr fuchsteufelswild, wenn Langhammer sich mal wieder als angeberischer Alleskönner gebiert. Aber der Slapstick holt ihn halt immer wieder ein. In „Schutzpatron“ packt er am Flughafen-Check-In vor aller Augen das Gepäck um, um sich die Strafgebühr fürs überschrittene Gewichtslimit zu sparen.

Und weil die ganze Aufmerksamkeit der Hauptfigur, ihren Schrulligkeiten und allenfalls noch zwischenmenschlichen Kabbeleien unter den Kollegen gilt, bleibt für Plausibilität des Plot, Kulissen und Setting oder so etwas wie Täterpsychologie nur das allergröbste Garn. Allein das übertriebene Polizistengewimmel an den Tatorten wie auch die Platzierung der Kommissariats-Schreibtische in ein Treppenhaus stoßen auf. Doch hartgesottene Kluftinger-Fans werden auch solche handwerklichen Schnitzer zu nehmen wissen.

Sendetermine Die ARD zeigt die Kluftinger-Krimis „Herzblut“ und „Schutzpatron“ am 24. November und 1. Dezember, jeweils um 20.15 Uhr.