„Ich bin ein schwarzer Stern, Süße!“, singt David Bowie auf seinem neuen Album. Foto: Sony/Jimmy King

Der Rock’n’Roll-Außerirdische, der Poperneuerer, der Erfinder des Sich-selbst-neu-Erfindens ist wieder da. An diesem Freitag erscheint David Bowies sensationelles neues Album „Blackstar“.

New York - Bevor David Bowie der coolste Mann auf diesem Planeten – wenn nicht gar in diesem Universum – wurde, war er Schlagersänger. Auch die schrillen Kostüme, die futuristischen Verkleidungen, der Glam-Chic und die Rock’n’Roll-Posen, die er sich in den 1970ern ausdachte, ändern nichts daran, dass frühe Bowie-Hits wie „Space Oddity“, „Changes“, „Starman“ oder „Life On Mars“ vor allem das sind: grandiose in ScienceFiction-Storys verpackte Schnulzen, Mitsinghymen, Ohrwürmer.

Doch das ist verdammt lange her. Inzwischen hat David Bowie Krautrock, New Wave, Jazzrock, Elektropop und auch sonst sämtliche Stile und Drogen ausprobiert, ist zwischendurch verschollen und hat sich 2013 überraschend mit dem Album „The Next Day“ zurückgemeldet. Jetzt legt er nach. Bowie, der an diesem Freitag 69 Jahre alt wird, gibt sich diesmal größte Mühe, es einem auf der Platte „Blackstar“ nicht zu bequem und kuschelig zu machen. Er schüttelt einen bei dieser Sternenreise mit Dissonanzen, Soundexperimenten und kuriosen Songstrukturen kräftig durch. Und dennoch verbergen sich auf dem Album lauter unerhört schöne, sentimentale Momente.

Dem Astronauten Major Tom wieder ganz nah

„I’m a blackstar, way up, oh honey“ – Ich bin ein schwarzer Stern, Süße, ganz weit oben!“, singt er dann beispielsweise im Titelsong, und ist auf einmal wieder ganz nah dran am Astronauten Major Tom, der einst in dem Lied „Space Oddity“ schwere- und ziellos in seiner Blechbüchse durchs All trieb und sich schrecklich einsam fühlte.

Doch diese zarte Reminiszenz weiß Bowie gut zu verstecken. Sie lauert irgendwo weit hinten in dem Zehn-Minuten-Song zwischen einem ungeraden Breakbeat, zuckenden Synthies, verstörenden Streicherakzente und einem ständig dazwischenquakenden Saxofonsolo. Major Tom befindet sich jetzt auf einem ADHS-Trip, der viel zu aufregend, viel zu verwirrend, viel zu komplex ist, um noch als Pop bezeichnet werden zu können.

Alles, was Bowie bisher war, alle Rollen, die er gespielt hat, alle Genres, die er sich einverleibt hat, geben den Songs auf „Blackstar“ ihre ganz eigentümliche Färbung, ihre keiner Form mehr verpflichteten Größe. In David Bowies Universum hat der wunderbar verstolperte Nonsens „Girl Loves Me“ ebenso Platz wie das überkandidelte „’Tis A Pity She Was A Whore“, durch das die Snare von Drummer Mark Guiliana hallt und das Saxofon von Donny McCaslin trötet – zwei Musiker, die zwar so spielen, als ob sie von einem anderen Stern kommen, die Bowie in Wirklichkeit aber in einer Jazzkneipe in Manhattans West Village aufgelesen hat.

Bowie veranstaltet ein wunderbares Durcheinander

In „Dollar Days“ mimt Bowie noch einmal wehmütig den Crooner. In „Sue (Or In A Season Of Crime)“ verursacht er ein spektakuläres Durcheinander. In dem zarten „I Can’t Give Everything Away“ lässt er seinen Produzenten Tony Visconti wieder einmal zig Soundschichten übereinanderlegen. Außerdem gibt es auf der Platte das wunderbare Lied „Lazarus“, das Bowie für ein Musical geschrieben hat, das noch bis zum 19. Januar in einem Off-Theater am New Yorker Broadway zu sehen ist. Ein Musical, das vom Mann erzählt, der vom Himmel gefallen ist. Auf der Bühne wird dieser aber leider nicht von David Bowie selbst, sondern von Michael C. Hall („Dexter“) gespielt.

„Look up here, I’m in heaven / I’ve got scars that can’t be seen / I’ve got drama, can’t be stolen / Everybody knows me now“, singt David Bowie in dieser mit einem bizarren Gitarre verzierten Gänsehautballade: Schau hoch, ich bin im Himmel, meine Wunden kann keiner sehen, mein Drama kann mir keiner nehmen – und jeder kennt mich jetzt.