Heinrich Schneider hat nun aufschlussreiche Briefe veröffentlicht, die der Bundespräsident Theodor Heuss an seinen Großvater Hermann Martin Schneider geschrieben hat. Es ging darin um Wein. Foto: Fritz-Kador

Wäre Theodor Heuss nicht Bundespräsident geworden und wäre er nicht so ein großer Freund des Weins gewesen, hätte mancher Wengerterbetrieb nach dem Krieg wohl nicht überlebt.

Heilbronn - Das Jahr 1949 fing für die Württemberger Wengerter schlecht an: Frost richtete im Frühjahr einen immensen Schaden an. Dass das Jahr dennoch gut endete, lag nicht nur an der Wahl der ersten Weinkönigin, sondern auch an der von Theodor Heuss zum Bundespräsidenten. Heuss war mehr als nur ein bekennender Lemberger-Fan. Er hatte profunde Kenntnisse über den Weinbau, seit er als 21-Jähriger seine Doktorarbeit über den Weinbau in Heilbronn verfasst und sich dabei mit der Materie und den Menschen intensiv auseinandergesetzt hatte. Die Verbundenheit blieb. Das war in diesem Schicksalsjahr von großer Bedeutung.

Fatal für die Wengerter im Land war, dass es zuvor, 1948, einen guten Herbst gegeben hatte. Die Chance, sich wieder aufzurappeln, drohte ins Gegenteil verkehrt zu werden – durch das Finanzamt! Wie es der Bundespräsident und seine Frau Elly Heuss-Knapp zusammen mit dem Heilbronner Hermann Martin Schneider schafften, diese existenzielle Bedrohung abzuwenden, das erzählt dessen Enkel Heinrich Schneider. Heuss war Hermann Martin Schneider freundschaftlich verbunden, er kannte schon dessen Vater.

Einer der ersten Züchter

Hermann Martin Schneider war nicht irgendein Heilbronner Wengerter, er stammte aus einer Wengerter-Dynastie und begann schon als junger Mann vor dem Ersten Weltkrieg, als andernorts noch niemand daran dachte, eine züchterische Auslese der Reben zu betreiben, vor allem bei Clevner, Trollinger und Schwarzriesling. Auch außerhalb Heilbronns wurde man auf den Rebenzüchter aufmerksam. Von 1930 bis 1934 war er unter anderem Vorstand der damaligen „Weingärtnergenossenschaft Heilbronn von 1899“ und Mitglied im Reichsweinbaubeirat. Dann war zunächst Schluss, mit den Nazis wollte er nichts zu tun haben. Aber schon 1947 gründete er den Weinbauverein Württemberg-Baden als „politisch neutral“. Die eigene politische Neutralität gab Schneider aber auf: Er wurde wieder Stadtrat in Heilbronn wie schon vor der Nazi-Zeit.

Er wurde 1946 in die Verfassungsgebende Landesversammlung von Württemberg-Baden gewählt und als Abgeordneter der DVP in den Landtag. Damit hatte er wieder einen Aktionsrahmen – auch gegen die Finanzbehörden. Diese zogen für den Jahrgang 1948 nicht nur Steuern ein, sondern errechneten auf dieser Basis auch die Vorauszahlungen für das Folgejahr. Das war existenzbedrohend wegen des teilweisen Totalausfalls. Der Enkel Heinrich Schneider erinnert sich, wie der Weinbau damals aussah: „Während des Krieges war die Bewirtschaftung schlecht, danach waren Neuanlagen kaum möglich, es fehlten auch die Männer dafür, es gab keinen Dünger, keine Schädlingsbekämpfungsmittel, zudem haben Arbeiter in großem Stil Trauben gestohlen.“

Erfolgreich gegen die Finanzbehörde

Zusammen mit Theodor Heuss und anderen Politikern gelang es, mit einer Petition die Regelungen der Finanzbehörde aufzuheben und stattdessen einen Mittelwert einzuführen, der bis heute Bestand hat. Schneider ist überzeugt, dass andernfalls dem größten Teil der Wengerterbetriebe das Lebenslicht ausgeblasen worden wäre. Wie sehr Heuss, auch über diese Episode hinaus, dem Weinbau verbunden war, zeigt eine bisher unveröffentlichte Korrespondenz zwischen Hermann Martin Schneider und Theodor Heuss. Sie trägt meistens schon den Absender „Bundespräsidialamt“ und immer die Anrede „Lieber Freund“ oder „Guter Freund“ . Der Enkel Heinrich Schneider hat den Schatz dem Stadtarchiv Heilbronn überlassen.

Die Korrespondenz gibt ein beredtes Zeugnis davon, wie sehr sich Heuss für den Weinbau einsetzte. So schrieb er 1950 an Schneider: „Ich glaube, hoffen zu dürfen, dass die im Handelsvertrag mit Frankreich vorgesehenen Weineinfuhren, die für den eigentlichen Konsumwein niedrig gehalten werden konnten, keine wesentliche Beeinflussung der Lage herbeiführen werden.“ In einem weiteren Brief schreibt Heuss erfreut darüber „dass die Rivalitäten, die ja einmal familienmässig und einmal personell begünstigt durch die Geschichte des Standes fast immer hindurchgegangen waren, jetzt abgeschlossen zu sein scheinen. Hoffentlich bleibt es dabei.“