94.543 Fälle, aber nur 50.150 Anzeigen: Blitzer vor der Ausfahrt Möhringen. Foto: Peter Petsch

Nicht immer, wenn es blitzt, gibt es auch einen Bußgeldbescheid: Bei den neuen Blitzern an der A 8 wird nur jeder zweite Temposünder zur Kasse gebeten. Knapp 115.000 fotografierte Fahrer bleiben ungeschoren. Am Flughafen ist die Ausfallquote besonders hoch.

Nicht immer, wenn es blitzt, gibt es auch einen Bußgeldbescheid: Bei den neuen Blitzern an der A 8 wird nur jeder zweite Temposünder zur Kasse gebeten. Knapp 115 000 fotografierte Fahrer bleiben ungeschoren. Am Flughafen ist die Ausfallquote besonders hoch.

Stuttgart - Im Reisebus aus München ist das Gejohle groß. Gerade hat der Blitzkasten an der A 8 auf Höhe des Flughafens rot aufgeleuchtet – erwischt! „Nichts da“, ruft der Busfahrer, „die Anlage hat uns für einen Lkw gehalten, der nur 80 fahren darf.“ Der Bus darf aber mit Tempo 100 unterwegs sein. Tatsächlich wird dieser vermeintliche Sündenfall in der Zentralen Bußgeldstelle in Karlsruhe aussortiert. Einer von vielen Fällen – in der Regel werden nur zwei Drittel der geblitzten Verkehrsteilnehmer wirklich angezeigt. Doch bei den drei Autobahn-Blitzern zwischen Flughafen und Leonberg, seit Ende Mai 2013 in Betrieb, kommen auch viele echte Sünder ungeschoren davon.

Alles nur halb so schlimm: Nur jeder zweite geblitzte Temposünder muss tatsächlich einen Bußgeldbescheid fürchten. Bisher jedenfalls – solange die Kinderkrankheiten nicht ausgeräumt sind. „Da gab es technische und personelle Probleme“, sagt Wilfried Schramm, Leiter der Zentralen Bußgeldstelle. Der Blick in die Bilanz: Von knapp 240 000 Fällen sind nur etwa 125 000 verwertbar. 115 000 Sünden sind dagegen ein Muster ohne Wert.

Zum Vergleich: Angesichts des Blitzlichtgewitters auf der Autobahn rechnete die Behörde zunächst mit 400 000 Fällen pro Jahr, was bei einem statistischen Schnitt von 30 Euro Bußgeld pro Fall gut zwölf Millionen Euro bringen würde. 240 000 Sünder, in sieben Monaten erwischt, hätten 7,2 Millionen Euro Bußgeld eingebracht – tatsächlich aber war nur die Hälfte der Fälle verwertbar. Etwas mehr als 125 000 Anzeigen bringen somit lediglich 3,8 Millionen in die Kasse. Waren da nur Reisebusse unterwegs, die mit Lkw verwechselt wurden?

Die Probleme der neuen Blitzanlagen sind vielfältiger. „Zunächst gab es Konvertierungsprobleme der verwendeten Programme, dann wurde im Herbst 14 Tage lang wegen eines Softwarefehlers gar nicht aufgezeichnet“, sagt Schramm. Die Datenstandleitung steht noch immer nicht. Die Blitzer am Flughafen haben einen besonders hohen Schwund: Nur 38 Prozent der 81 000 Fälle kommen zur Anzeige. Das Problem: Ehe es blitzt, sollte das Tempolimit mindestens zweimal vorher angekündigt werden. Über Monate hatte aber nur die letzte Schilderbrücke vor dem Blitzer das Tempolimit angezeigt. Die Beweisfotos waren damit reif für den Papierkorb. „Inzwischen sind aber zumindest immer zwei Tempoanzeigen vor der Messstelle aktiv“, sagt Schramm.

Hinzu kam, dass die Bußgeld-Behörde mit der Flut der Anzeigen völlig überfordert war. 65 Stellen reichten nicht aus. Der Engpass führte dazu, dass viele Anzeigen verjährten – ein Bußgeldbescheid muss binnen drei Monaten erlassen werden. Angesichts aufwendiger Ermittlungen bei 40 Prozent Firmenfahrzeugen war manches Haltbarkeitsdatum abgelaufen. Inzwischen hat die Bußgeldstelle aber 13 Stellen mehr – und versucht den Rückstand aufzuholen.

So kommt es übrigens, dass 2013 landesweit mit 21,66 Millionen Euro genauso viele Bußgeld-Einnahmen verbucht wurden wie 2012 – obwohl wesentlich mehr Raser erwischt wurden. Knapp 592 000 Fälle sind 45 000 mehr. „Wir schieben aber noch eine Bugwelle aus offenen Forderungen aus 2013 vor uns her“, sagt Joachim Fischer, Sprecher des zuständigen Regierungspräsidiums Karlsruhe. Dies werde dann aber in der Bilanz 2014 verbucht werden.

Dieses Jahr dürfte für Temposünder auf der A 8 erheblich härter werden. Nicht nur, weil die Kinderkrankheiten als beseitigt gelten. Sondern weil zwischen Kreuz Stuttgart und Dreieck Leonberg eine vierte Blitzanlage aufgebaut werden soll. Wegen einer Brückensanierung war das Projekt verschoben worden. „Die Anlage dürfte im Frühjahr 2014 in Betrieb gehen“, sagt Günter Loos, Sprecher des Innenministeriums. Die Bauarbeiter müssen noch die Zeit des Bodenfrostes abwarten. Dann droht ein weiteres Blitzlichtgewitter. Bußgeldmann Schramm ist bereit für die erwarteten 400 000 Fälle.