Im Jahr 1942 wurden auch die Glocken der Gablenberger Petruskirche ohne vorherige Ankündigung abgenommen. Foto: Pfarrarchiv Petruskirche

Die neue Ausstellung im Muse-O am Schmalzmarkt in Gablenberg handelt von den insgesamt 49 Glocken die in Kirchtürmen und an Gebäuden im Stuttgarter Osten hängen. Viele von ihnen sind erst wenige Jahrzehnte alt – weil ihre Vorgänger in den Weltkriegen eingeschmolzen wurden.

S-Ost - Die Zeit der Glocken ist angebrochen. In kaum einem Weihnachtslied kommen sie nicht vor, bei der Advents- und Weihnachtsdekoration sind sie unentbehrlich und in vielen Familien werden die Kinder zur Bescherung immer noch mit einem kleinen Glöckchen gerufen. Eine bessere Jahreszeit für seine Glockenausstellung hätte der Museumsverein Stuttgart-Ost (Muse-O) also gar nicht finden können. Am gestrigen Sonntag ist sie eröffnet worden – und der Kenner der Stuttgarter Historie, Elmar Blessing, hat bei seinen Nachforschungen viele Glockengeschichten entdeckt, die so manchen Ausstellungsbesucher überraschen werden.

49 Glocken hat Blessing im Stuttgarter Osten gezählt, sie hängen in Kirchtürmen, auf Friedhöfen, aber auch in Privathäusern. Und auch wenn vor allem den großen Kirchenglocken fast schon ein Hauch von Ewigkeit zuerkannt wird – die meisten dieser Glocken läuten erst seit einigen Jahrzehnten im Stuttgarter Osten.

Viele Glocken wurden eingeschmolzen

Der Grund dafür ist so einfach wie traurig: Viele der wirklich alten Originalglocken haben die Kriege nicht überstanden. Zum Beispiel die Glocken der Gablenberger Petruskirche: Die ursprünglichen Glocken der Kirche stammten aus den Jahren 1870 und 1902. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden alle Glocken erfasst, drei der Gablenberger Glocken wurden 1917 beim Metallamt zum Einschmelzen abgeliefert.

Bereits 1923 wurden neu gegossene Glocken mit einem Festgottesdienst in der Petruskirche begrüßt. Aber auch sie hingen nicht lange im Kirchturm. 1942 wurden auch sie für Kriegszwecke eingegossen. Nach dem Ende des Krieges kam die Petruskirche wie viele andere Kirchen im Osten und in ganz Stuttgart auf zwei Wegen zu neuem Geläut. Zum einen sammelten die Gemeinden Geld dafür. Zum anderen wurden ihnen sogenannte Leihglocken aus den beiden großen Glockenlagern bei Dortmund und Hamburg angeboten. Dorthin waren im Krieg alle Glocken aus allen Teilen des damaligen Deutschlands und den besetzten Gebieten gebracht worden.

Die älteste Glocke hängt im Waldheim Frauenkopf

So kommt es, dass ausgerechnet die nachweislich älteste Glocke im Stuttgarter Osten heute wieder vor einer ungewissen Zukunft steht: Die Glocke auf dem Dach des zurzeit leer stehenden und vom Abriss bedrohten Waldheims Frauenkopf wurde 1673 gegossen und stammt ursprünglich aus Pommern. Die Glocke, die am längsten im Stuttgarter Osten läutet, ist nicht etwa eine Kirchenglocke, sondern die Glocke des „Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen“, des heutigen Bau- und Wohnungsvereins in der Schwarenbergstraße 64. Sie wurde dafür 1895 gegossen.

Das sind nur einige der Geschichten der neuen Ausstellung im Muse-O, die ohne jedes Original-Exponat auskommen muss und trotzdem viel zeigt. So werden beispielsweise einige Glocken dank einer Idee des Muse-O-Vorstands Peter Metzler zumindest von ihren Umrissen her in Originalgröße gezeigt. Dank eigens angefertigter Tonaufnahmen der Glocken des Ostens sind diese mit Hilfe eines Audio-Guides vor jeder Schautafel auch zu hören.