Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron geht ein Mammutprojekt an: die Reform des Arbeitsmarktes in seinem Land. Foto: AFP

Trotz vieler Proteste will Frankreichs Präsident Macron einen flexibleren Arbeitsmarkt in seinem Land durchsetzen. Er geht damit ein hohes Risiko ein, kommentiert der Frankreich-Korrespondent Axel Veiel.

Pairs - Man kann nur hoffen, dass er sich irrt. Die Franzosen verabscheuten Reformen, Frankreich sei reformunfähig, hat Staatschef Emmanuel Macron gesagt. Das vernichtende Urteil hat er ausgerechnet jetzt gefällt, da es gilt, die Franzosen für die Mutter aller Reformen zu gewinnen: für eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Als ersten, als entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Rundumerneuerung des in verkrusteten Strukturen verhafteten Landes hat Macron das Vorhaben ausgegeben. An diesem Donnerstag will die Regierung die Details der Reform vorstellen. Bereits im September soll sie nach Macrons Willen in Kraft treten.

Das heißt aber nicht, dass es auch so kommen wird. Der Widerstand wächst. Die ehemals kommunistische Gewerkschaft CGT, die vor anderthalb Jahren weite Teile einer von Macrons Vorgänger François Hollande lancierten Arbeitsmarktreform auf der Straße zu Fall gebracht hat, kündigt neuerliche Massenproteste an. Kommunisten, Sozialisten und der Volkstribun Jean-Luc Mélenchon, Chef des „Unbeugsamen Frankreich“, machen ebenfalls mobil.

Viele Neuerungen sind am Widerstand der Straße gescheitert

So manche von Regierungen für unabdingbar erklärte Neuerung ist in Frankreich bereits am Widerstand der Straße gescheitert. Recht haben die Reformgegner sicherlich insoweit, als Wohl und Wehe der französischen Wirtschaft nicht allein von einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes abhängen. Die Reform will Unternehmen mehr Gestaltungsfreiheit einräumen. Seien es Arbeitszeiten, Produktionsabläufe oder die Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses: Dinge, die bisher gesetzlich festgeschrieben sind, sollen künftig auf Branchenebene geregelt werden dürfen. Was Branchenabkommen vorbehalten war, soll auch Betriebsvereinbarungen zugänglich sein. Dazuhin sollen Kündigungen erleichtert, ihre Kosten durch eine Deckelung der Abfindungen berechenbarer werden.

In der Summe trägt dies sicherlich zu mehr Wettbewerbsfähigkeit bei, ist aber auch nicht mehr als ein Beitrag, dem weitere folgen müssen. Das Steuerrecht und die Sozialabgabenordnung sind ebenfalls dringend erneuerungsbedürftig. Auch ist die Arbeitsmarktreform unvollständig. Erleichterte Kündigung und Deckelung der Abfindungen erhöhen zwar die Einstellungschancen der Erwerbslosen, aber die Beschäftigten bezahlen dies mit einer Einbuße an Arbeitsplatzsicherheit.

Die Zustimmung zu Macron sinkt

Doch selbst wenn die Arbeitsmarktreform angreifbar ist, ihr Scheitern wäre fatal: fatal für den Präsidenten, fatal für Frankreich, fatal für Europa. Als couragierter Erneuerer hat Macron die Wahlen gewonnen. Sollte er auf dem selbst gesteckten Reformparcours gleich an der ersten Hürde scheitern, wäre seine Autorität für den Rest der Amtszeit beschädigt. Schon jetzt ist es mit dem Vertrauen in den Staatschef  nicht mehr weit her. Nur noch gut ein Drittel der Bevölkerung zeigt sich mit seiner Amtsführung zufrieden. Und wer soll Frankreich erneuern, wenn nicht er, dem die Franzosen bei den Präsidentschaftswahlen just diesen Auftrag erteilt haben?

Verheerend wäre ein Scheitern auch für die Europäer. Macron ist ja nicht nur angetreten, Frankreich neue Wege zu weisen, sondern auch der EU. So hat er in dieser Woche gemeinsam mit europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungschefs versucht, das Flüchtlingsproblem verstärkt dort anzugehen, wo es entsteht: in Afrika. Eine EU, die schützt, propagiert Macron. Wenn sich Bürger für Europa zurückgewinnen lassen, für die Brüssel bisher nur bürgerferne Bürokratie war, dann so.

Womit zu hoffen bleibt, dass die Franzosen letztlich doch reformfähig sind, dass sie sich mit der Arbeitsmarktreform zumindest abfinden – und dass Macron nachlegt, dass dem Plus an Flexibilität für die Unternehmer ein Plus an Sicherheit für die Beschäftigten folgt, ohne das die Vorzeigereform unvollständig bliebe.