Abschiebung am Baden-Airport: Nur die wenigsten waren zuvor in Haft Foto: dpa

Baden-Württemberg braucht eine neue Einrichtung für Abschiebehäftlinge. Das Kabinett will an diesem Dienstag das Innenministerium mit der Ausarbeitung der Pläne beauftragen.

Stuttgart - Abschiebung aus der Abschiebehaft heraus spielt in Baden-Württemberg bislang keine große Rolle. Von den rund 1000 Abschiebungen pro Jahr, die das Land zuletzt vorgenommen hat, sind es nur ein paar Dutzend Fälle, wie es heißt. Entsprechend überschaubar waren die Kapazitäten: Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim gab es in einem separaten Gebäude 64 Plätze für männliche Abschiebehäftlinge. Weibliche Abschiebehäftlinge waren im Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd untergebracht.

Dann kam Mitte letzten Jahres ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Das Gericht befand es als menschenunwürdig, dass man abgelehnte Asylbewerber oder Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten kamen und demnach dort ihren Asylantrag stellen müssten, ähnlich wie Straftäter unterbringt. Solche Einrichtungen dürften keinen „Gefängnischarakter“ haben.

Obwohl eine Abschiebehaft laut aktueller Rechtsprechung nur angeordnet werden darf, wenn akute Fluchtgefahr besteht, dürfe man Abschiebehaft nicht als Strafe sehen, so der Gerichtshof. Solche Einrichtungen müssten daher strikt getrennt werden vom Strafvollzug.

Damit wurde die bisherige Praxis in sechs Bundesländern gekippt, darunter auch Baden-Württemberg. Im Südwesten ging man daraufhin dazu über, mit Rheinland-Pfalz zu kooperieren, doch das Nachbarland hat beschränkte Kapazitäten. Es hat sich bereiterklärt, auch künftig weibliche Abschiebehäftlinge aus Baden-Württemberg aufzunehmen. Für männliche Abschiebehäftlinge plant das Land nun aber einen Neubau.

Alles scheint dabei auf den Standort Bruchsal hinauszulaufen, wie unsere Zeitung aus Regierungskreisen erfuhr. Endgültig entschieden werden soll dies aber erst im November. Bis dahin soll das Innenministerium die entsprechenden Pläne ausarbeiten. Bereits im Oktober soll es dem Kabinett darlegen, ob eine Kooperation mit Hessen möglich ist, das ebenfalls eine eigene Einrichtung plant. In Bruchsal gebaut werden dürfte dann ab kommendem Jahr. Das Vorhaben wird als dringlich eingestuft, 6,3 Millionen Euro wurden dafür bereits im Landeshaushalt bewilligt.

Die Zahl der eigenen Abschiebehaft-Plätze deutlich erhöhen will die grün-rote Landesregierung allerdings nicht. Zwar hat die Bundesregierung angekündigt, es den Ländern zu erleichtern, Abschiebehaft anzuordnen. Die Experten der Flüchtlingsbehörden im Südwesten bewerten die entsprechenden Pläne allerdings als „Verschlimmbesserung“. Die Rückführung von Flüchtlingen werde dadurch eher erschwert als erleichtert, heißt es. So wolle der Bund zwar die Möglichkeit einführen, Flüchtlinge für vier Tage in „Ausweisegewahrsam“ zu nehmen. Vier Tage seien aber in der Praxis und in aller Regel zu kurz, auch weil es im Südwesten keine Abschiebe-Einrichtungen in Flughafen-Nähe gebe. Im Gegenzug werde den Behörden das Instrument der sogenannten Kleinen Sicherungshaft genommen, das im Vergleich zu der geplanten Neuerung besser funktioniere. Vernichtendes Fazit eines Beamten: Das Recht zur Aufenthaltsbeendigung werde komplizierter, das Ausweisungsrecht zum stumpfen Schwert.

Auch jene, die sich für die Flüchtlinge einsetzen, üben an den Berliner Gesetzesplänen Kritik, wenn auch aus einem ganz anderen Blickwinkel. Die Opposition sprach bereits von einem „Inhaftierungsprogramm“.

Der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte am Montag bei einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags die Pläne als unnötig. Die Zahl der Fälle von Abschiebehaft sei in den letzten Jahren um 90 Prozent zurückgegangen, die Zahl der Abschiebungen insgesamt trotzdem angestiegen. Die Behörden bräuchten also dieses Instrument gar nicht.