Die Rathausgarage wird abgerissen. Im Neubau sollten auch die ansonsten unerwünschten Stätten des zweifelhaften Vergnügens eröffnen dürfen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In der Theorie sichert die Stadt sich das Recht, neben einem Kindergarten ein Bordell eröffnen zu dürfen. Das Neubauvorhaben, das für Verwirrung sorgt, bezieht sich auf das Grundstück der Rathaus-Garage in der Stuttgarter Mitte.

S-Mitte - Es ist keineswegs das erste Mal, dass das im schönen Amtsdeutsch Vergnügungsstättensatzung betitelte Papier Verwirrung stiftet. Vor zweieinhalb Jahren schon bekannte der christdemokratische Bezirksbeirat Michael Scharpf nach der Lektüre: „Ich versteh’ nur Bahnhof.“ Scharpf ist schwer verständliche Lektüre durchaus gewohnt. Er trägt einen Professorentitel im Namen, wenn auch einen der Wirtschaftswissenschaft. Das Unverständnis teilt er aber auch mit ausgewiesenen Verwaltungsfachleuten. „Ich verstehe nicht, warum alles erwähnt werden sollte, was wir nicht wollen“, sagt Werner Wölfle, der Verwaltungsbürgermeister.

Im Neubau soll es keine Vergnügungsstätten geben

Was die Stadt sicher nicht will in ihrem Neubau, der in einigen Jahren die heutige Rathausgarage ersetzen soll, sind Spielhallen, Wettbüros, Diskotheken oder gar Bordelle, im Amtsdeutsch wiederum zusammengefasst unter Vergnügungsstätten. Was sie will, sind neue Räume fürs Finanzreferat, Läden, Wohnungen und sogar einen Kindergarten. Ungeachtet dessen ist in den Gemeinderatsunterlagen zum Neubau ausdrücklich und mehrfach vermerkt, dass in ihm außerdem die Stätten des zweifelhaften Vergnügens zugelassen sein sollen, wenn auch nicht im Erdgeschoss und nur in Ausnahmefällen.

Keine Rotlichtbetriebe nahe von Schulen und Kindergärten

Dass es doch Unfug wäre, Mieter mit Diskothekenlärm zu beschallen und Kinder schon im Vorschulalter mit der Erkenntnis vertraut zu machen, dass Männer sich Sex kaufen, hat als erster der Christdemokrat Christoph Goller im Bezirksbeirat Mitte reklamiert. Einmal davon abgesehen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich verbietet, nahe Grundschulen oder Kindergärten Rotlichtbetriebe zu eröffnen. „Da fällt mir eine Widerrede schwer“, sagte Wölfle und empfahl, das Papier umzuformulieren.

So wird es auch geschehen, wiederum keineswegs zum ersten Mal – und gegen fachkundige Bedenken, denn die entsprechenden Passagen sind dem Juristendeutsch geschuldet. Mit ihrer Satzung zu den Vergnügungsstätten wollte die Stadt ursprünglich verhindern, dass sich weiterhin nahezu ungebremst Spielhallen ausbreiten. Dass die Stadt in Verordnungen das Eröffnen von Spielhallen ausdrücklich erlaubt, um sie zu verbieten, „ist für den Bürger und Laien natürlich nicht verständlich“, sagt Detlev Kron, der Leiter des Stadtplanungsamts.

Besser im Stadtzentrum als in Wohnvierteln

Die Erklärung lautet vereinfacht: Will eine Stadt sie in bestimmten Gebieten verbieten, muss sie gleichzeitig festschreiben, in welchen anderen Gebieten sie erlaubt sein sollen. Schließlich sind Spielhallen nicht illegal, irgendwo müssen sie eröffnen dürfen. Diese Gebiete sollen im Stadtzentrum konzentriert sein, um sie vor allem aus Wohnvierteln zu verbannen.

Das ursprüngliche Papier zur Absicht stammt von einem Gutachterbüro und war schon im Jahr 2011 fertig. Allerdings wurde es nach den Diskussionen im Rathaus nicht beschlossen, sondern erweitert. Neben den unerwünschten Neueröffnungen von Spielhallen wollen die Stadträte seither auch die von Wettbüros oder eben Bordellen verhindern. Inzwischen „kamen immer neue Aspekte hinzu“, sagt Kron. Die endgültige Version soll noch in diesem Jahr im Gemeinderat beschlossen werden. Allerdings „bin ich nicht mehr sicher, ob das noch klappt“, räumt der Amtsleiter ein.

Es hat wenig Sinn, das Konzept immer weiter aufzulösen

Zunächst muss nun die Änderung wegen des Neubaus auf dem Grundstück der Rathaus-Garage eingearbeitet werden. Weitere Änderungswünsche sind aus dem Gebiet rund um den Hans-im-Glück-Brunnen, außerdem aus dem Leonhardsviertel laut geworden. Dies nicht zuletzt, weil die Verordnung zumindest aus Laiensicht noch ganz andere Merkwürdigkeiten enthält als die über den Neubau hinter dem Rathaus. Als plakativstes Beispiel dafür taugt ein altehrwürdiges Gotteshaus, dessen Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Die Leonhardskirche dürfte gemäß den Plänen vollständig zum Bordell umgewidmet werden.

Ungeachtet dessen „hat es wenig Sinn, das Konzept immer weiter aufzulösen“, sagt Kron. Sonst besteht die Gefahr, dass es im Zweifel vor Gericht fällt.