Läuft alles nach Plan, dann sollen die blinden und sehbehinderten Bewohner im September in das Wohnheim einziehen. Foto: Chris Lederer

Die Nikolauspflege baut ein Wohnheim für Blinde und sehbehinderte Menschen. Im September sollen die Bewohner einziehen. Zuvor hat sich die Kriminalpolizei auf dem Gelände an der Wigandstraße umgeschaut.

Stuttgart - Baustopp! Wegen einer Leiche? Der Anruf des Architekten war dann doch eine größere Überraschung, erzählt Projektleiterin Petra Mack von der Nikolauspflege. Die Stiftung baut seit März dieses Jahres an der Wigandstraße ein Wohnheim für Blinde und Sehbehinderte – wenn nicht gerade die Kriminalpolizei die Arbeiten stoppt. „Unser Architekt hatte mich angerufen, weil bei den Aushubarbeiten Knochen im Erdreich gefunden wurden“, sagt Mack. Daraufhin hätten Kriminaltechniker die Handwerker abgelöst und sich den Fund genauer angeschaut. „Es hat sich dann zum Glück schnell herausgestellt, dass es sich nur um Pferdeknochen handelt“, sagt Mack. „Früher soll es hier einen Bauernhof gegeben haben.“

Der vermeintliche Leichenfund war nicht die erste Unterbrechung auf dem Baugrundstück, das direkt neben dem Stammheimer Schloss liegt: „Weil der Grundwasserstand an der Wigandstraße recht hoch ist, mussten wir den Neubau tief gründen, Pfähle setzen und das Haus sozusagen in eine Wanne stellen“, erklärt die Projektleiterin. „Vor jeder Bohrung musste der Kampfmittelbeseitigungsdienst prüfen, ob dort nicht vielleicht eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg liegt.“ Gefunden wurde nichts.

Stattdessen kam bei den Grabungen eine Überraschung der besonderen Art zu Tage: eine historische Wasserleitung. Eigentlich sollte sie komplett erhalten und Bürgermeister Werner Wölfle bei dessen Ortsbesichtigung gezeigt werden. „Leider hatte sie der Baggerfahrer an diesem Tag wieder zugeschüttet.“ Immerhin wurde das steinerne Bauwerk in Teilen dem örtlichen Heimatverein überlassen, der sie als Anschauungsobjekt am Heimatmuseum wieder zusammensetzen möchte.

Der dreigeschossige Neubau ist so konzipiert, dass sich die sehbehinderten und blinden Bewohner möglichst selbstständig bewegen können. Vorgesehen sind 24 Dauerwohnplätze und ein Kurzzeitplatz für Notfälle oder um Eltern bei der Betreuung zu entlasten. Die Wohnungen befinden sich in den beiden Obergeschossen. Im Erdgeschoss ist der Förder- und Betreuungsbereich, wo die Bewohner lebenspraktische Fertigkeiten erlernen und sich sinnvoll beschäftigen können. „Einige der Bewohner gehen tagsüber nach Untertürkheim und arbeiten in einer unserer Werkstätten.“ Ausschließlich erwachsene Bewohner sollen nach Stammheim ziehen. Noch leben sie in der Feuerbacher Übergangseinrichtung an der Maybachstraße.

Trotz all der Überraschungen kommen die Bauarbeiter gut voran. Der Rohbau steht. Derzeit sind die Trockenbauer, Elektriker und Flaschner im Einsatz. „Vor kurzem haben wir im kleinen Kreis mit den Handwerkern Richtfest gefeiert“, sagt Mack. Für die Öffentlichkeit soll es nach der Fertigstellung des Wohnheims, wenn sich die neuen Bewohner erst einmal eingelebt haben, ein großes Einweihungsfest mit Tag der offenen Tür geben. „Wenn alles nach Plan läuft, werden wir im September einziehen können.“ Vor wenigen Tagen war ein Teil der künftigen Bewohner schon auf der Baustelle zu Besuch, um Stammheim-Luft zu schnuppern und sich bei den künftigen Nachbarn vorzustellen. „Es wurden kleine Geschenke an die Nachbarn verteilt und alle wurden sehr freundlich empfangen“, freut sich Mack. „Es gibt hier in Stammheim eine tolle Willkommenskultur, es kommt uns eine große Herzlichkeit entgegen“, sagt sie. Auch der Kontakt zur Stiftung Evangelische Altenheimat sei mehr als gut. Zahlreiche Kooperationen seien geplant. „Wir wollen darüber hinaus auch mit anderen Einrichtungen in Stammheim zusammenarbeiten und sind offen für weitere Kooperationen, Projekte und Synergien.“