Entwurfszeichnung für den Neubau der Cranko-Schule, der am Hang über dem Wagenburgtunnel entsteht Foto: © Burger Rudacs Architekten

An diesem Donnerstag darf Stuttgarts Ballettintendant Reid Anderson endlich zum Spaten greifen. Dass der Neubau für die Cranko-Schule nun Form annimmt, ist auch ehrenamtlichem Einsatz wie dem von Ariane Piëch und der von ihr gegründeten Freunde der John-Cranko-Schule zu verdanken.

Stuttgart - Frau Piëch, an diesem Donnerstag wird offiziell mit dem Neubau für die John-Cranko-Schule begonnen. Ein besonderer Tag für Sie?
Ja, auf jeden Fall. Es ist schön zu erleben, dass es endlich losgeht. Nun wird die Idee von einem neuen Haus für den Ballettnachwuchs konkret und rückt in greifbare Nähe.
Hatten Sie jemals Zweifel daran, dass dieses Projekt überhaupt die Realisierungsphase erreicht?
Vor ungefähr zwei Jahren war alles wieder in der Schwebe. Wirklich an der Realisierung gezweifelt habe ich aber nicht. Ich war optimistisch, weil die Bedingungen so schlecht und unzeitgemäß sind, unter denen die jungen Tänzer in der John-Cranko-Schule arbeiten und trainieren. Da musste sich einfach etwas ändern.
Was hatte Sie 2012 dazu bewogen, die „Freunde der John-Cranko-Schule“ ins Leben zu rufen?
Die ursprüngliche Idee stammt vom ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Wenn der Neubau für die Ballettschule kommt, sagte er, seien die Mittel von Stadt und Land begrenzt. Er wünschte sich, durch Spenden und private Mittel das Projekt durch einen Impuls aus der Bürgerschaft voranzubringen und hat mich deshalb 2011 angesprochen. Ich bin seit vielen Jahren ein großer Ballettfan und gut mit Marion Jäger befreundet. Die ehemalige Erste Solistin des Stuttgarter Balletts gründete dann mit mir sowie mit Ann-Katrin Bauknecht, Julia Herzogin von Württemberg und Anja Arends die Förderinitiative. Insofern hat sich für mich ein Kreis geschlossen.
Es brauchte 2013 eine Spende des Ballett-Sponsors Porsche, um Politiker endlich für den Neubau zu gewinnen. Finden Sie es bedauerlich, dass ein Projekt wie dieses, das jungen Menschen aus vielen Nationen zu Gute kommt, so zögerlich angegangen wird?
Ja, absolut. Für mich war es vollkommen unverständlich, dass die Politik so lange mit dem Neubau für die Cranko-Schule gehadert hat. Immer wieder tauchten neue Bedenken und Fragen auf, die dem Projekt Steine in den Weg legten. Hätten alle gleich an einem Strang gezogen, könnte die Schule heute fertig sein. Und so hätte es auch sein müssen, wenn man sieht, welch talentierte Tänzer aus ihr kommen. Als eine der international renommiertesten Ausbildungsstätten für den Ballettnachwuchs ist die Cranko-Schule neben Porsche und Daimler ein Aushängeschild für die Stadt.
Spiegelt sich darin eine Geringschätzung des Tänzerberufs überhaupt?
Für mich als Ballettfan war schon immer schwer zu verstehen, dass Tänzer, verglichen mit dem, was sie leisten und an Disziplin investieren, unverhältnismäßig schlecht verdienen. Da habe ich es mir gern zum Anliegen gemacht mit dafür zu sorgen, dass die Schüler in zeitgemäßen Räumlichkeiten ausgebildet werden. Im Neubau wird ja auch das Stuttgarter Ballett endlich eine angemessene Proben- und Arbeitssituation erhalten. Die Ausstattung der Kompanie im Opernhaus ist schlicht vorsintflutlich.
Sie setzen mit den Freunden der John-Cranko-Schule auf bürgerschaftliches Engagement. Sehen Sie das als Notlösung oder müsste es Ihrer Meinung nach häufiger solchen Einsatz geben?
In der heutigen Zeit wird das immer notwendiger und häufiger kommen, weil viele öffentlichen Einrichtungen auf Spenden und Fördergelder angewiesen sein werden. Eine Notlösung? Ich mache das gerne und habe den Eindruck, dass unsere Unterstützer alle hinter der Idee stehen. Die vielen schönen Spenden bestätigen die Richtigkeit unseres Engagements. Ich würde das immer wieder machen.
Die Staatstheater müssen sich am Neubau mit insgesamt 5,5 Millionen Euro beteiligen: Dabei geht es um die Kosten für den Ausbau der Probebühne und um die Erstausstattung der Schule. Wie ist der Spendenstand? Haben Sie schon eine Einkaufsliste – von der Ballettstange bis zum Kochtopf?
Unter die Erstausstattung fällt tatsächlich alles, was nicht fest ist, die Musikanlage ebenso wie die Einrichtung der Internatszimmer; der Plan dafür wird im Lauf der Bauphase mit den Staatstheatern erstellt. Die Summe, die wir mit Hilfe eines Getränkestands bei „Ballett im Park“ und von drei Gala-Abenden im Wilhelma-Theater über Kartenverkauf und Spenden gesammelt haben, beläuft sich inzwischen auf rund eine Viertelmillion Euro.
Hoffen Sie, dass der Baubeginn nun die Spendenbereitschaft erhöht?
Ja, der Spatenstich ist ein wichtiges Zeichen. Die Arbeiten zeigen, dass es nun tatsächlich losgeht, und wir hoffen, dass es während der Bauzeit für uns neue Möglichkeiten und Anlässe für Aktionen gibt, um weitere Spenden zu sammeln. Es muss da schon noch einiges zusammenkommen und die Freunde der John-Cranko-Schule möchten so viel wie möglich beisteuern. Aber da wir alle ehrenamtlich arbeiten, hat unser Einsatz zeitlich Grenzen.
Mit welchem Argument überzeugen Sie Menschen davon, für den Neubau zu spenden?
Wie gesagt: Der Ballettnachwuchs in Stuttgart braucht angemessene Ausbildungsbedingungen. Auch wie die Schüler im Internat untergebracht sind, ist nicht mehr tragbar. Oft bekommen wir zu hören: Warum sammelt ihr gerade dafür, es gibt so viele arme Kinder in der Welt, die Hilfe dringender brauchen. Wichtig ist für mich, ein Projekt in meiner Stadt zu unterstützen. Und wenn man sieht, was Ballettschüler von morgens bis abends leisten, mit welcher Disziplin, Leidenschaft und welchem Willen sie ihr Ziel verfolgen, dann können sie Vorbilder für andere junge Menschen sein.