Harald Marquardt (grünes Jackett) von Kultur am Kelterberg tauscht sich beim Netzwerkgespräch mit anderen Teilnehmern aus. Foto: Lisa Reiff

Im Netzwerkgespräch tauschen Stuttgarter Künstler in der Alten Kelter Erfahrungen aus. Es geht ihnen darum, neue Vorstellungen umzusetzen und sich bei den Bürgern der Stadt bekannter zu machen.

Vaihingen - Akzeptanz für die Kunst, bezahlbare Arbeitsräume und Wirkung im öffentlichen Raum: So lassen sich die Ziele der Künstler zusammenfassen, die sich am Dienstagabend in der Alten Kelter Vaihingen zum Netzwerkgespräch „Kunst im Quartier“ getroffen haben.

„Wir müssen zeigen, dass wir nicht nur wirre Ideen im Kopf haben“, sagt Harald Marquardt vom Vaihinger Kunstverein Kultur am Kelterberg. Die Akzeptanz für die Notwendigkeit der Kunst könne nur erreicht werden, wenn Künstler ihre Ideen auch umsetzten. „Wir brauchen neuzeitliche Kunst, das ist unser Erbe. Was bleibt sonst von unserer Generation übrig?“, fragt der freischaffende Künstler und Designer.

Das Rad muss nicht in jedem Stadtteil neu erfunden werden

Um seine Erfahrung aus der lokalen Künstlerszene entwickelt sich das Netzwerkgespräch. Der Mann mit der runden Hornbrille und dem grünen Sakko scheint die Anliegen von Vertretern anderer Gruppen genau zu kennen. „Er spricht mir aus dem Künstlerherz“, sagt etwa Doris Graf von den Freien unabhängigen Künstlern Stuttgart (FUKS). Ein Austausch von Ideen ist die Intention der Veranstaltung, die die Stadtteilvernetzer organisiert haben. Die Veranstalterin Brigitte Reiser sagt: „Man kann so viel voneinander lernen, da muss man nicht in jedem Stadtteil das Rad neu erfinden.“ Schwierigkeiten wie die der Künstler will Reiser mit den Stadtteilvernetzern durch Kontakte und Netzwerken auffangen.

Doris Graf von den FUKS sieht sich im Gegensatz zu Marquardt, der mit Kultur am Kelterberg die Räume der Alten Kelter in Vahingen dauerhaft nutzt, mit Schwierigkeiten auf der Suche nach Arbeitsräumen für bildende Künstler in Stuttgart konfrontiert. Sie sagt: „In der Stadt gibt es immer mehr Leerstand. Die kleinen Geschäfte schließen, weil die Leute nicht mehr dort einkaufen.“ Trostlose Stadträume könnten Künstler mit neuem Leben füllen – nur könnten sie diese nicht bezahlen. Das Beispiel eines geflüchteten Bildhauers aus dem Iran, der sich eine Werkstatt im Generationenhaus Heslach eingerichtet hat und dort Speckstein-Kurse anbietet, klingt in diesem Zusammenhang wie ein Glücksfall.

Der Kunst fehlt es an Akzeptanz

Harald Marquardt sieht ein Problem in der fehlenden Akzeptanz für Kunst. Er sei von einer Bank gefragt worden, ob er eine Ausstellung in deren Räumen machen könnte. Dafür hätte er aber weder Ankauf noch Honorar bekommen. Marquardt fügt verständnislos hinzu: „Wenn man einen Gärtner beauftragt, den Blumenschmuck für eine Veranstaltung zu liefern, tut er das auch nicht umsonst.“ Künstler dürften diesen Umgang nicht akzeptieren.

Einig zeigen sich die Teilnehmer dennoch in einem Punkt: Zunächst liegt es an ihnen, an der Akzeptanz für ihre Tätigkeit zu arbeiten. Doris Graf sagt: „Wir müssen mit unserer Arbeit sichtbar werden, öfter in der Öffentlichkeit stehen.“ Möglichkeiten sehen die Künstler nicht nur in der Förderung von Stadt und Unternehmen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit sozialen Trägern: Das BHZ Stuttgart hat im Rahmen der Behindertenhilfe eine eigene Kunstwerkstatt eingerichtet. Ob die Einrichtung offen für die Zusammenarbeit mit Künstlern ist, wird eine BHZ-Vertreterin gefragt. „Sicher“, ist die Antwort. Auch der Bereich Inklusion biete interessante Möglichkeiten, künstlerisch zu arbeiten.

In Projekten dieser Art sehen die Künstler mehr Möglichkeiten als in Ausstellungen allein. Auf die Wirkung der Bilder, die derzeit in verschiedenen Stadtteilen als Aufstellung auf Tour ist, sind die Vertreterinnen des Vereins Zuhause leben stolz. Gemalt wurden die Bilder von sozial benachteiligten und kranken Menschen.

Nur durch Sponsoring lassen sich künstlerische Projekte umsetzen

Umsetzen lassen sich künstlerische Projekte dauerhaft nur mit der Unterstützung von der Stadt und den Unternehmen. Marquardt berichtet etwa von regelmäßigen Hilfen über den Bezirksbeirat, der Otto-F.-Scharr-Stiftung und vom Kabelhersteller Lapp. Mit diesen Unterstützern ist Kultur am Kelterberg den anderen Gruppen in der Runde voraus. Unerfahrenere, ehrenamtlich Engagierte aus den Initiativen tun sich noch schwer, über die Stadt Stuttgart an Zuschüsse zu gelangen.