Angela Merkel in der ZDF-Sendung „Klartext“: für kurze Zeit auf Augenhöhe mit den Fragestellern, hier mit der Gebäudereinigerin Petra Vogel. Foto: ZDF

Eine Gebäudereinigerin habe Kanzlerin Angela Merkel in der ZDF-Sendung „Klartext“ beim Thema Altersarmut in Bedrängnis gebracht, findet ein Teil der Twitter-User. Eher noch mehr Reaktionen im Netz lösen die Fragen der Zuwanderer im Fernsehstudio aus.

Stuttgart - Wozu Wahlkampf nicht alles gut sein kann: Kanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Klartext“ eine Begegnung mit der Wirklichkeit. Eine Gebäudereinigerin, die sich als Betriebsrätin engagiert und kein Geld für ihre Rente übrig hat – ein afghanischer Asylbewerber, der vom Migrationsamt Bamf abgelehnt wurde, sich in der Heimat aber bedroht fühlt – ein Deutsch-Türke, der sich über Alltagsrassismus hierzulande beschwert – ein schwäbischer Kleinunternehmer, der endlich auf eine stabile Internetverbindung hofft: Die Regierungschefin musste diesmal zuhören und Verständnis zeigen, ohne die Menschen zu verprellen und ohne ihre politische Linie zu verlassen – eine Gratwanderung.

Liebeserklärung eines Flüchtlings an Angela Merkel

Viele Angriffspunkte bot die Sendung auch für die Netzgemeinde, die darüber munter diskutiert. Vor allem die Zuwanderer unter den Fragestellern werden kritisch von vielen Twitter-Usern aufs Korn genommen – keiner der Migranten in der Runde habe „auch nur einen Ansatz von Dankbarkeit geäußert“, tadelt „Koko Lores“. Auffallend auch der syrische Physiotherapeut in der TV-Townhall, dessen Frau noch in der Heimat lebt und der Merkel mit einer Liebeserklärung („Ich liebe Sie!“) beglückt, woraufhin Merkel kühl meint, seine Frau werde schon wissen, wie er es meine. „Ich kann ohne meine Frau nicht leben“, sage der Syrer – aber flüchten könne er ohne sie, lästert „Miliana Blackeye“.

In dieser ausländerkritischen Art fallen diverse Reaktionen aus: „Afghane, Syrer, jetzt ein wehleidiger Türke... wir Deutschen finden nicht mehr statt“, jammert „manometer“. Und „Zeitbetrachter“ fürchtet Schlimmeres: Wie diese Zuwanderer mit Merkel im TV umspringen: Bekommt man prima Eindruck, wie die mit Normalo-Deutschen Schlitten fahren“.

Beim Thema Rente gerät Merkel „kräftig unter Druck“

Die Raumpflegerin Petra Vogel aus Bochum, Mitglied der IG Bau und der Linkspartei, erzielt hingegen den Netzreaktionen nach zu urteilen einen klaren Punktsieg: Beim Thema Rente gerate Merkel „kräftig unter Druck“, urteilt „Constantin Schreiber“. Die Gebäudereinigerin hatte berichtet, dass sie nach über 40 Jahren Arbeit mit 654 Euro in Rente gehe. Da sehe man, „auf was für einem Planeten diese Frau lebt“, kritisiert „Sarah“ wegen des Ratschlags von Merkel, für das Alter Geld zurückzulegen. Und „Stefan Krabbes“ findet, dass die Reinigungskraft die CDU-Chefin „ins Straucheln bringt“.

„Hartes Geld“ findet, dass Merkel „grandios bei der Frage der Altersarmut scheitert“. Dass sich aber auch professionelle Beobachter und politische Gegner an der Netzdebatte beteiligen, zeigt zum Beispiel die baden-württembergische SPD-Generalsekretärin Luisa Boos, die sich ihrerseits an Merkels Empfehlungen für eine private Altersvorsorge stört.

Aber dass zeigt doch nur, dass die Wahlen längst nicht mehr nur im Fernsehstudio, sondern auch im Internet gewonnen oder verloren werden.