Drei Architekturstudenten haben das Modell für ein Café am Neckarufer in Wangen entwickelt. Foto: Steffen Honzera

Seit zwei Jahren gibt es in Wangen die Pläne für ein Café am Neckarufer. Jetzt versucht der Bezirksbeirat erneut, das Projekt auf die städtische Agenda zu bringen.

Wangen - Beate Dietrich wühlt in einem großen Schrank in ihrem Wangener Amtszimmer. Es dauert ein wenig, bis die Bezirksvorsteherin das gefunden hat, was sie sucht. Dann zieht sie ein Architekturmodell hervor. Auf den einzelnen Elementen hat sich eine Staubschicht gebildet, trotzdem ist an der Längsseite des Modells noch eine schwache blaue Linie zu erkennen. „Das ist der Neckar“, erklärt Dietrich.

Es sind die Wangener Neckar-Pläne, die dort im Rathausschrank verstauben. Als das Stadtplanungsamt vor Kurzem die Projekte vorstellte, mit denen Stuttgart seinen Bürgern ihren Fluss zurückgeben will, spielten sie jedoch keine Rolle. „Das ist sehr schade“, findet Dietrich. Der Wangener SPD-Bezirksbeirat Norbert Klotz glaubt: „Die haben das vergessen.“

Es ist gerade mal zwei Jahre her, dass Architekturstudenten der Universität Stuttgart ihre Wangener Neckar-Pläne präsentierten. Die Bürgerinitiative Wangen am Neckar und das Stadtplanungsforum hatten den Anstoß dazu gegeben, dass sich die Studenten in ihren Semesterarbeiten mit dem Thema „Wangen ans Wasser“ auseinandersetzten. 15 unterschiedliche Modelle sind entstanden, zum Teil auf dem Wasser, zum Teil an Land.

Ein passendes Grundstück ist bereits gefunden

„Das ist das, was wir uns am besten vorstellen konnten“, sagt Dietrich und meint damit das Modell in ihrem Rathausbüro. Es zeigt ein kleines Café mit großer Sonnenterrasse auf dem Dach. Das Gebäude ist so konzipiert, dass es auch im Winter gut als Gastronomiebetrieb genutzt werden könnte. Hinter den hohen Glasfronten könnten die Gäste bei einem heißen Getränk den Ausblick auf den Neckar genießen.

Auch ein passendes Grundstück ist bereits gefunden. Es liegt vom Stadtbezirk aus gesehen links neben der Untertürkheimer Schleuse auf Wangener Gemarkung. Ein acht Meter breiter Kai erstreckt sich dort auf etwa 100 Metern entlang des Neckarufers – eingebettet zwischen dem Fluss und einem mit Bäumen bewachsenen Wall. Bislang gehört das Grundstück dem Wasser- und Schifffahrtsamt Stuttgart. Der Leiter der Behörde habe ihr aber bereits signalisiert, dass das Schifffahrtsamt auf dieses Gelände vermutlich verzichten könnte, sagt Dietrich.

Nicht nur Radfahrer, die auf dem unmittelbar hinter dem Grundstück verlaufenden Neckartalradweg unterwegs sind, könnten dort Rast machen, auch eine Anlegestelle für Sportboote und den Neckar Käpt’n stellen sich die Wangener vor.

„Aber ein Café am Wasser, das wäre mein Traum“

Für die Bezirksvorsteherin würde mit der Verwirklichung des Studenten-Modells ein Traum in Erfüllung gehen. Als sie 1978 nach Stuttgart kam, habe sie sich ganz bewusst für Wangen als Wohnort entschieden, erzählt die Lokalpolitikerin. Sie wollte genau wie in ihrer früheren Heimat Hannover am Fluss leben. Doch im Gegensatz zur niedersächsischen Landeshauptstadt, wo die Leine ein fester Bestandteil im Leben der Menschen ist, musste sie in Wangen schnell feststellen, dass der Neckar für die Bürger nicht zugänglich ist.

Dietrich ist sich bewusst, dass Wangen auch ein Industriestandort ist und dass man die Schnellstraße B 10, den Hafen und die vielen Gewerbegebiete bei all den schönen Ideen für einen Stadtbezirk am Fluss nicht einfach ignorieren kann. „Ich will keinen Sandstrand im Industriegebiet“, sagt die Bezirksvorsteherin. „Aber ein Café am Wasser, das wäre mein Traum.“

Auch Norbert Klotz gerät ins Träumen, wenn er auf der Untertürkheimer Schleuse steht und sich das „Café Schleuse“ unten am Flussufer vorstellt. Wie die Menschen dort bei schönem Wetter am Sonntagmorgen auf der Freitreppe sitzen und die vorbeifahrenden Schiffe beobachten, während vor ihnen auf der kleinen Uferpromenade eine Jazz-Band spielt.

Dass es die Gäste stören könnte, dass sie dabei unmittelbar auf das große Daimler-Mutterwerk am anderen Ufer blicken, glaubt der Bezirksbeirat nicht. Für die Einheimischen dürfe das jedenfalls kein Problem sein, schließlich habe ja beinahe jeder Zweite seinen Arbeitsplatz da drüben.

Und um genau diese Bürger geht es Dietrich und Klotz bei ihrem Vorhaben. „Die Wangener Einwohner leben nicht gerne am Neckar vorbei“, sagt die Bezirksvorsteherin und Klotz erklärt: „In Wangen gibt es keine Grünanlage in der Ebene.“ Wer ins Grüne wolle, müsse schon auf den Berg hinauf und das sei vor allem für viele ältere Menschen einfach nicht mehr möglich. Deshalb hat der Bezirksbeirat Wangen die Stadtverwaltung jetzt in einem Antrag dazu aufgefordert, dass Projekt „Wangen ans Wasser“ in die bereits vorgestellten Neckar-Pläne mit aufzunehmen.

Die Erfolgsaussichten sind gar nicht so schlecht. „Die Liste ist offen“, erklärt Hermann Degen vom Stadtplanungsamt. Das Projekt „Wangen ans Wasser“ habe man bei den aktuellen Planungen schlicht weg vergessen, gibt der Stadtplaner zu. Andererseits müssten sich die Wangener aber auch darüber bewusst sein, dass selbst wenn es das Café auf die Liste schafft, man von einer Realisierung des kostspieligen Projektes noch weit entfernt sei.

Wunder erwarten die Wangener aber auch gar nicht. Klotz ist sich durchaus bewusst, dass die Realisierung des rund 1,5 Millionen Euro teuren Projektes sehr lange dauern könnte. „Nur vergessen darf man es nicht“, findet der Lokalpolitiker. Und die Bezirksvorsteherin fügt hinzu: „Vielleicht kann ich dort irgendwann mit meinem Enkel entlang laufen.“ Als ihr Sohn noch klein war, sei das ja leider nicht möglich gewesen. Und ganz gleich, ob die Stadt das Projekt „Wangen ans Wasser“ nun in ihre Planungen mit aufnimmt oder nicht. „Wir machen weiter“, sagt Beate Dietrich entschlossen.