Nazif Mujic auf einer Pressekonferenz der Berlinale Foto: dpa

Der Roma Nazif Mujic gewann 2013 den Silbernen Bären als bester Darsteller. Am liebsten würde er den Preis zurückgeben. Wegen der Erfahrungen in seinem bosnischen Heimatdorf.

Berlin - Nazif Mujic wirft einen Blick in den voll besetzten Saal des Kulturvereins in Berlin-Kreuzberg, in dem er gleich sprechen wird. Er rückt sein schwarzes Jackett zurecht, richtet die Krawatte und steuert das Podium an, das an diesem Nachmittag seine Bühne ist. Die Menschen wollen sie immer wieder hören, seine Geschichte. Die Erzählung um den bosnischen Laiendarsteller könnte einem Drehbuch entstammen.

Im vergangenen Jahr gewann der 42-Jährige Bosnier bei den Filmfestspielen in Berlin den Silbernen Bären als bester Darsteller. Der Berlinale-Preisträger lebt mit seiner Familie derzeit auf knapp 35 Quadratmetern – nicht in einem Luxushotel in der Hauptstadt, sondern in einem Flüchtlingsheim.

Nazif Mujic trat aus dem Nichts auf die große Bühne. In dem im vergangenen Jahr preisgekrönten Spielfilm „Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ stand er das erste Mal vor der Kamera. In dem Film spielt er sich selbst: Einen Eisensammler, der in einem kleinen von Roma bewohnten Dorf in Bosnien-Herzegowina mit einer Axt ausrangierte Autos ausschlachtet und versucht, seine Familie über die Runden zu bringen. „Davor habe ich meinen Job in einer Müllverbrennungsanlage verloren und deshalb angefangen Schrott zu sammeln“, sagt er. Der Regisseur und Oscarpreisträger Danis Tanovic („No Man’s Land“) wurde über einen Zeitungsartikel auf ihn aufmerksam und verfilmte sein Geschichte.

Unterdessen katapultierte die Aufmerksamkeit um den Film den Protagonisten Nazif Mujic, seine Frau und ihre drei Kinder im Jahr 2013 für wenige Tage in die Glitzerwelt der Berlinale: Roter Teppich, Champagner, Häppchen, Interviews mit der internationalen Presse. Mujic stand im Blitzlicht der Kameras und hielt lächelnd seinen Silbernen Bären hoch.

Im Heimatdorf erwartet Mujic Neid und Missgunst

Die Realität aber setzte der Euphorie ein Ende. Denn als der Roma gemeinsam mit seiner Familie in das Dorf Poljice in Bosnien-Herzegowina zurückkehrte, schlugen ihnen Neid und Missgunst entgegen. „Ich habe keinen Job in unserem Dorf mehr bekommen, weil die Leute dachten, dass ich genug Geld habe“, sagt Mujic. Selbst seine Angehörigen nahmen es ihm nicht ab, dass er nur ein paar Tausend Euro Lohn bekommen hatte, die schnell aufgebraucht waren. Die Leute sagten: Du hast doch einen Oscar, du bist doch reich und berühmt. „Die ersten drei Monate wurden wir Zuhause wie Stars gefeiert, dann aber wurde es so schlimm, dass wir es nicht mehr aushielten.“ So setzte sich die kleine Familie im November nach einem Dreivierteljahr in der Heimat in einen Bus und fuhr nach Deutschland, um in Berlin Asyl zu beantragen.

Dann wurde wieder der rote Teppich ausgerollt. Berlinale: Klappe, die zweite. Die Leitung des Filmfestivals lud den Preisträger aus dem vergangenen Jahr auch zu den diesjährigen 64. Filmfestspielen ein. Pünktlich zum Beginn des Spektakels rückte der Schauspieler erneut ins Interesse von Presse und Rundfunk. Zu gut war die Story vom Aufstieg und Fall des bosnischen Laiendarstellers, in dem sich die Oberflächlichkeit und Verlogenheit der Scheinwelt Berlinale spiegelte.

Kamerawagen hielten vor dem Flüchtlingsheim, draußen in Spandau in der Nähe des Wannsees.Mehrere Dutzend Journalisten habe er schon empfangen, aus aller Welt, sagt Mujic. Ihnen erzählte er von der Enttäuschung, die ihn in seinem Heimatdorf erwartet hatte. Und von seinem Unverständnis, dafür, dass er erst gefeiert wurde und dann trotzdem wieder zurück nach Hause musste. „Sie haben mich behandelt wie einen Tanzbär.“

Die Ausländerbehörde hat den Asylantrag abgelehnt

Auch an diesem Nachmittag sind wieder Kameras auf Mujic gerichtet. Er hat sich inzwischen an den Medienrummel um seine Person gewöhnt. Der Laiendarsteller weiß, wie er sich Aufmerksamkeit verschafft. Zum Beispiel mit drastischen Worten. „Bevor ich zurück gehe nach Bosnien-Herzegowina, nehme ich mir lieber das Leben“, sagt er. Laut Behörden darf Mujic noch bis zum 20. März in Berlin bleiben. Danach endet die sogenannte Winterduldung.

Den Asylantrag hat die Ausländerbehörde abgelehnt. Bosnien-Herzegowina zählt nicht zu den Staaten, in denen die Menschen von Krieg gefährdet sind und deshalb Asyl in Deutschland bekommen.

Die Berlinale-Leitung, sagt Mujic, schickte ihm vor einigen Tagen eine Limousine zum Flüchtlingsheim. Darin saß eine Anwältin, die den Preisträger nun bei seinem Anliegen um Asyl unterstützt. Sie hat eine Petition beim Berliner Innensenat eingereicht. Die Aussichten auf Erfolg sind laut Experten gering, weil Armut kein Grund für Asyl darstellt.

Nazif Mujic trägt an diesem Nachmittag den schwarzen Anzug, den er damals zur Berlinale bekommen hat. Er trägt ihn noch immer bei all seinen Auftritten, ganz wie auf dem roten Teppich. Als könne das die Zeit zurückdrehen.