Patienten der früheren Heilanstalt fielen der Nazi-Euthanasie zum Opfer. Foto: Pascal Thiel

396 psychisch kranke Patienten wurden in den Jahren 1940 und 1941 aus der Heilanstalt Winnenden nach Grafeneck gebracht und ermordet. Dieser Menschen wird in einer Ausstellung gedacht, die vom 22. November bis zum 7. Dezember zu sehen ist. Dazu haben Schüler jedem der Ermordeten eine Todesanzeige gestaltet.

Winnenden - Bereits zum zweiten Mal wird die Wanderausstellung „Grafeneck 1940 – Geschichte und Erinnerung“ in Winnenden zu sehen sein. Zum Jahresbeginn war sie in der Klinik im Schloss ausgestellt, nun hat das Stadtarchiv sie für die Zeit von Montag, 22. November, bis zum 7. Dezember in das Rathausfoyer geholt. Die Schau dokumentiert die Verbrechen der Nazis an behinderten Menschen, die sie nach ihrer unmenschlichen Ideologie als „lebensunwert“ einstuften und ermordeten. Als „Euthanasie“ oder „Gnadentod“ bezeichnet, wurden die Taten zu einem großen Teil im Schloss Grafeneck auf der Schwäbischen Alb begangen, das von den Nazis als „Anstalt A“ bezeichnet wurde.

Schüler gedenken der Ermordeten

396 Patienten der damals Heilanstalt Winnenden genannten Psychiatrie wurden Opfer des Euthanasie-Programmes. Sechs Tafeln der Wanderausstellung wurden deshalb auf Wunsch des heutigen Klinikums von Thomas Stöckle, dem Leiter der Gedenkstätte Grafeneck, angefertigt. Diese werden im Rathaus ebenso zu sehen sein wie zwei weitere, die sich um die Heilanstalt Weinsberg drehen, die heute wie die Klinik im Schloss ein Zentrum für Psychiatrie des Landes ist.

Schüler der Geschwister-Scholl-Realschule steuern ein beeindruckendes wie bewegendes Werk zu der Ausstellung bei: Auf weißen Tüchern haben sie für jeden einzelnen der 396 Ermordeten eine Todesanzeige geschrieben. Auf einer Schnur aufgereiht, werden sich die Anzeigen durch die gesamte Ausstellung ziehen.

Zeitzeugen, meist Pfleger, die miterlebt haben wie die Patienten der Heilanstalt und Bewohner der Paulinenpflege verschleppt wurden, berichteten später, welche Szenen sich abspielten. Denn mit der Zeit war klar geworden, was sich hinter den grauen Bussen verbarg, die immer wieder Patienten abholten, um sie auf die Alb zu bringen. Die Betroffenen schrien vor Angst, wehrten sich oder flehten auf Knien um Gnade. Einer ritzte „Abt. Mörder“ in einen Keks ein, der seiner Familie mit dem Nachlass und der Behauptung übergeben wurde, der Sohn sei an einer Krankheit gestorben. Ein Foto des Kekses überließen Angehörige dem Haus der Geschichte in Stuttgart.

Winnenden setzt Zeichen gegen Todesstrafe

Mehr als 70 000 psychisch kranke Menschen wurden während der „Aktion T 4“ in Grafeneck, im hessischen Hadamar und vier weiteren „Vernichtungsanstalten“ in den Jahren 1940 und 1941 ermordet. Den Angehörigen wurde vorgegaukelt, sie seien an Lungenentzündungen oder anderen tödlichen Krankheiten gestorben. Das Lügengebäude hielt jedoch nur kurz , viele Familien glaubten nicht, was ihnen in knapper Form geschrieben worden war.

Die Stadt Winnenden geht seit Jahren offensiv mit der Zeit des Naziregimes um. Neben Ausstellungen setzt sich die Stadt in Publikationen wie „Winnenden gestern und heute“ mit den Schicksalen von Opfern der Nazis auseinander. Vom Stadtarchiv wurden bereits mehrere Stolperstein-Verlegungen initiiert. Die Stadt setzt zudem seit Jahren Zeichen gegen die Todesstrafe, indem sie sich der Aktion der Gemeinschaft Sankt Egidio „Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“ angeschlossen hat. Diese hat den 30. November zum Aktionstag gegen die Todesstrafe ernannt.