Der Habicht war der Vogel des Jahres 2015 – und wird dennoch gejagt Foto:  

Greifvögel sind eigentlich streng geschützt – doch viele sterben in Deutschland jedes Jahr einen qualvollen Tod. Sie verenden qualvoll in Fallen, sterben einen elenden Gifttod oder werden erschossen. Baden-Württemberg belegt den unrühmlichen zweiten Platz bei den Vogelmorden.

Stuttgart - Die Täter sind alles andere als zimperlich: Sie präparieren Beutevögel – vor allem Tauben – mit Gift. Brütende Greifvögel holen den Köder ins Nest und vergiften so sich und ihre Jungen. Andre Baumann, Landeschef des Nabu, findet ein solches Vorgehen abscheulich und fordert eine rigorose Verurteilung der Täter.

2015 war der Habicht der Vogel des Jahres. Doch während Naturschützer sich mühen, die Art bekannt zu machen und ihr beeindruckendes Jagdgeschick herauszustellen, gibt es offenbar Menschen, die genau das stört: Zwölf Greifvogelmorde wurden 2015 im Land dokumentiert. Andre Baumann ist überzeugt, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Der Nabu hat deshalb mehrfach Anzeige erstattet, etwa nach dem Fund eines toten Wanderfalken im Februar auf den Fildern oder im Mai, nachdem ein Laborergebnis belegt hatte, dass auch die im Kreis Schwäbisch Hall tot aufgefundenen jungen Wanderfalken an Gift gestorben sind.

Doch wer trachtet den Herrschern der Lüfte nach dem Leben? Im Verdacht stehen Taubenzüchter, Geflügelhalter und Jäger. Tauben sind tatsächlich die Lieblingsbeute vieler Greife. Es gibt Brieftaubenzüchter, denen in wenigen Wochen 20 bis 30 Tiere abhandengekommen sind. Anders sieht es bei den Jägern aus: Die meisten betreiben die Jagd als Hobby. Einige von ihnen sehen Greifvögel offenbar als Konkurrenten um das Niederwild – wie das Magazin „Freiheit für Tiere“ feststellt.

Spezielle Staatsanwaltschaft für Umweltkriminalität

Besonders bestialisch sind sogenannte Schnappfallen, die zur Tötung von Greifvögeln aufgestellt werden. Die eingeklemmten Greife sterben nicht sofort. Um wieder freizukommen, reißen sie sich Haut und Sehnen ab und fliegen dann – wie ein Fachmann sagt – „praktisch ohne Beine weg“. Schließlich verenden sie kläglich.

In Deutschland gibt es 18 Greifvogelarten, drei weitere sind als Wintergäste im Land oder durchqueren es. Sie sind durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt und fallen unter das Washingtoner Artenschutzabkommen. 14 Arten sind nach der EG-Vogelschutzrichtlinie geschützt. Nordrhein-Westfalen ist Spitzenreiter in Deutschland bei den Greifvogeltötungen – gefolgt von Baden-Württemberg. Wer Greifvögel tötet, begeht eine Straftat, die eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen kann.

Doch Andre Baumann ist das nicht genug: „Um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, braucht es deutlich mehr Aufklärung“, betont Baumann. „Wir fordern deshalb die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität in Baden-Württemberg.“ Denn während bundesweit derzeit keine Verbesserung der Lage in Sicht sei, verzeichne Nordrhein-Westfalen 2015 weniger Abschüsse, Vergiftungen und Fallenfänge als in den Vorjahren. Dort arbeitet inzwischen eine Stabsstelle Umweltkriminalität eng mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Naturschutzbehörden zusammen.

Gift ist auch für Kinder und Säugetiere gefährlich

Momentan käme es oft nicht ans Tageslicht, wenn Greifvögel vergiftet werden, weil dies niemandem auffiele. „Wer denkt bei einem toten Vogel schon daran, dass er vielleicht vergiftet wurde?“ Und selbst wenn sich Polizei und Staatsanwaltschaft einschalteten, fehle es oft an Fachwissen, um die Fälle aufklären zu können. „Solange sich die Täter in Sicherheit wiegen, wird es diese grausamen Verbrechen geben“, sagt der Nabu-Chef. Baumann erinnert auch daran, dass die häufig eingesetzten Gifte – etwa Insektenvernichtungsmittel – auch für Hunde, Katzen und sogar für Kinder gefährlich seien. „Die Täter nehmen mit dem Auslegen solcher Giftfallen das Risiko in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen.“

Beim Justizministerium stieß die Forderung des Nabu nach einer Staatsanwaltschaft für Umweltkriminalität bisher nicht auf offene Ohren. Der Nabu will aber weiter Druck machen und jeden Fall zur Anzeige bringen. Dafür sucht er finanzielle Unterstützung und hofft auf Spender.

Ein Täter gefasst

Ein Täter ging den Ermittlern 2015 ins Netz: Im Kreis Reutlingen wurde ein Mann verurteilt, dessen illegal aufgestellte Greifvogelfalle im Frühsommer einen Rotmilan das Leben gekostet hatte. In Rastatt konnte einen Tag vor Heiligabend ein Wanderfalke wieder in die Freiheit entlassen werden, der von einem Unbekannten angeschossen worden war.