Obwohl Natur darauf steht, ist nicht immer Natur drin Foto: dpa-tmn

Nicht alles ist Bio, nur weil eine grüne Pflanze auf der Verpackung prangt. Zudem kommt auch Naturkosmetik nicht ohne Chemie aus - wir erklären, warum.

Stuttgart - Die Flasche der Bodylotion ist mit einer Aloevera-Pflanze bedruckt und der Deckel der Gesichtscreme leuchtet in hellem Grün. Einige Verbraucher denken sich: In diesen Pflegeprodukten stecken viele natürliche Inhaltsstoffe. Doch oftmals liegen sie falsch. Denn nur weil die Verpackung in Naturtönen gestaltet ist, heißt es nicht, dass es sich um Naturkosmetik handelt.

Greenwashing, was so viel wie „sich ein grünes Mäntelchen umhängen“ bedeutet, hat in den Kosmetikregalen Einzug gehalten. Mehr und mehr konventionelle Anbieter von Kosmetik und Pflegerprodukten gestalten Shampoo und Cremes mit grüner Optik und werben mit natürlichen Inhaltsstoffen, obwohl nur ein Hauch davon enthalten ist, kritisiert die Zeitschrift Ökotest. 25 Tiegel und Tuben, die in das grüne Mäntelchen gekleidet sind, haben die Tester untersucht. Keines der Produkte konnte den Test bestehen. Der Verbraucher wird durch irreführende Angaben getäuscht.

Die Intention der Kosmetikhersteller ist dabei klar. Sie wollen mit verdienen am wachsenden Naturkosmetikmarkt. „Sie ist kein Trend mehr. Sie ist seit einigen Jahren in nahezu allen Segmenten fester Bestandteil des Kosmetikmarktes“, sagt Martin Ruppmann vom Verband der Vertriebsfirmen kosmetischer Erzeugnisse (VKE). Der Umsatz mit Naturkosmetik ist 2013 um 12,2 Prozent gewachsen und damit doppelt so stark wie 2012. Ihr Anteil am Gesamtmarkt aller Kosmetikprodukte beträgt knapp acht Prozent.

Naturkosmetik liegt im Trend

Vor zwei Jahren wurde Naturkosmetik zum Trend, sagt Ruppmann. Auch die Kosmetikbranche wurde vom allgemeinen Nachdenken über ökologisches und nachhaltiges Leben und Konsumieren erfasst. Die Hersteller haben darauf reagiert. „Es wurden immer mehr Produkte eingeführt. Erst gab es nur Cremes, mittlerweile sind auch Wimperntusche und Make-up erhältlich“, sagt Ruppmann.

Vor einer wachsenden Vielfalt im Kosmetikregal steht Verbraucher oft ratlos da: Zwar gibt es verschiedene Siegel für die Cremes und Gesichtswasser aus natürlichen Inhaltsstoffen – doch welchem vertrauen? „Ein einheitliches staatliches Siegel gibt es nicht“, sagt Ruppmann. Wo die Unterschiede liegen und welche Vorgaben das Siegel an die Kosmetik stellt, kann der Verbraucher nicht erkennen. Denn die Organisationen, die diese Kennzeichnungen vergeben, können selbst bestimmen, was Naturkosmetik ist und welche Inhaltsstoffe darin enthalten sein dürfen. Das gilt auch für den häufig gebrauchten Bio-Aufdruck. Doch im Bereich der Kosmetik ist das Wort „Bio“ – anders als bei Lebensmitteln – nicht gesetzlich definiert.

Manche Siegel werden von Experten allerdings hervorgehoben. So empfiehlt der Stuttgarter Hautarzt Jens Tesmann Patienten, die Naturkosmetik benutzen möchten, auf drei Labels zu achten: Das des Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungs- und Körperpflegemittel – kurz BDIH genannt. Sowie das Siegel von Natrue und Ecocert. „Naturkosmetik enthält ausschließlich natürliche Rohstoffe wie Öle, Wachse und Fette. Bei Naturkosmetik sollten die Verpackungen recycelbar sein und die Rohstoffe abbaubar sein“, sagt Tesmann. Allerdings heißt Naturkosmetik nicht automatisch Bio-Kosmetik mit ökologisch angebauten Inhaltsstoffen. „Einige Hersteller achten aber auch darauf“, sagt er. Wer sicher sein will, dass die Kosmetik diese Erwartung erfüllt, muss sich das Kleingedruckte durchlesen oder sich vorher im Internet informieren.

"Ohne Chemie geht es nicht"

Klare Regeln, was nicht enthalten sein darf, gibt es dagegen schon. „ Stoffe aus geschlachteten Tieren wie Knochenextrakte oder Fette sind tabu“, sagt der Hautarzt. Enthalten sein dürfen aber Milch, Rahm, Honig oder Wollfett.

Auf eine Sache jedoch kann auch Naturkosmetik nicht verzichten: Chemie. „Ohne Chemie geht es nicht“, sagt Tesmann. Sie stabilisiert die Konsistenz der Creme oder verschönern die Optik. Oft verstecken sich hinter den chemischen Verbindungen mineralische Rohstoffe wie Salze, Laugen und Säuren. „Natürliche Verbindungen sind auch Chemie“, sagt Tesmann. Schließlich sei die Natur die größte Chemieküche. „Leider hat sich die Ansicht verfestigt, dass Natur immer gut und Chemie immer böse ist.“

Alle zugelassen Produkte aber, auch die konventionellen, entsprechen der EU-Kosmetikverordnung. „Die Produkte sind getestet und sicher“, sagt Ruppmann vom Kosmetikverband. Viele Siegel geben ebenfalls an, ob die Inhaltsstoffe an Tieren getestet wurden. „Die meisten Hersteller verwenden aber nur Stoffe, die nicht an Tieren getestet wurden.“ Dennoch reagiert manche Haut auf zu viel Natur. „Die Cremes enthalten eine hohe Konzentration an zum Beispiel ätherischen Ölen. Darauf reagieren viele Menschen allergisch“, sagt er. Auf der Haut bilden sich dann juckende Ekzeme. Der Stuttgarter Dermatologe Tesmann rät Patienten mit sehr empfindlicher Haut daher davon ab, Naturkosmetik zu verwenden. „Lieber Salben und Cremes aus hypoallergenen Serien für Neurodermitis Patienten benutzen“, sagt er. Sie würden auf allergene Stoffe verzichten und seien auf Kontaktallergien getestet worden.

Verbraucher, die auf die natürliche Kosmetik umsteigen wollen, können mit einem einfachen Test herausfinden, ob sie die Creme vertragen. An drei bis vier Abenden hintereinander trägt man an der Innenseite des Ellenbogens die Creme etwa in der Größe eines Eurostücks auf. „Wenn dort keine Irritationen auftreten, kann man die Creme auch am restlichen Körper verwenden“, sagt Tesmann. Wichtig ist auch folgender Hinweis: Naturkosmetikprodukte enthalten keine künstlichen Konservierungsstoffe. Damit keine Keime in die Creme geraten, sollten vor dem Griff in den Tiegel die Hände gewaschen werden.