Gespielt wird mit dem, was der Wald hergibt – zum Beispiel Kastanien Foto:  

Der Natur- und Waldorfkindergarten Wurzelkinder in Riedenberg wird dieser Tage zehn Jahre alt. Er bietet ein vielseitiges Programm – das fast ausschließlich im Freien stattfindet.

Riedenberg - Konzentriert feilt Pia an einem Stock herum. Die Fünfjährige hat schon eine dicke Kerbe in das Holz geritzt; mit Entschlossenheit arbeitet das in eine dicke Regenjacke gehüllte Mädchen an seinem Projekt. Was aus dem Stock werden soll, weiß Pia noch nicht genau. Sie weiß aber, dass sie das Sauwetter, das an diesem Tag herrscht, nicht im Geringsten stört. „Der Regen macht mir nichts aus“, sagt sie. Ohnehin ist sie gern draußen, „am liebsten, wenn wir mit der Pferdeleine herumrennen und Pferd spielen“.

So wie Pia geht es auch den 19 anderen Kindern, die den Waldorf- und Naturkindergarten Wurzelkinder besuchen. Bei Wind und Wetter toben sie im Freien, spielen und lernen mit ihren Erzieherinnen im Wald oder auf den Wiesen. Ihre Basis haben sie auf der Jugendfarm Riedenberg, wo sie an einem Unterstand oder zur Not – wenn es draußen gar zu eisig wird – in einem Bauwagen unterkommen.

Die Natur wird direkt erlebbar gemacht

Das Toben im Freien hat aus Sicht der Eltern und der Kindergartenleiterin Ute Schäfer unschätzbare Vorteile. „In anderen Kindergärten lernen Kinder, was ein Eiswürfel ist. Bei uns lernen sie den Frost kennen, merken, das er an den Händen wehtut.“ Die Natur werde dadurch direkt erlebbar. Ute Schäfer fallen noch mehr Beispiele dafür ein, warum es sich den Kindern besser einprägt, nicht nur in der Theorie zu lernen. Dann etwa, wenn gemeinsam Kuchen gebacken wird. „Dazu ist eine gute Planung nötig, es wird vorher Holz gesammelt, eventuell der Rhabarber geerntet und der Teig geknetet. “ Oder wenn die Kinder am eigenen Leib spüren, dass die Kombination aus Nässe und Laub eine gewisse Rutschgefahr birgt: „Wer das einmal poponah erlebt hat, wird sich später als Autofahrer auf jeden Fall daran erinnern.“

Ute Schäfer nennt das „die Umwelt nicht nur predigen, sondern leben“. Schon von Anfang an war das der Ansatz des Kindergartens, der vor zehn Jahren aus einer Eltern-Kind-Initiative heraus entstanden ist. Auch die Waldorfpädagogik als Grundlage gibt es seit den Anfängen. Nicht zuletzt ist die Beteiligung der Eltern, die den Kindergartenbetrieb in einem eigenen Verein verwalten und viel ehrenamtliche Arbeit leisten, fester Bestandteil des Konzepts der Wurzelkinder. „Es wird angestrebt, dass jeder seinen Fähigkeiten entsprechend mithelfen kann“, sagt Ute Schäfer.

Bewegungsspiele sorgen dafür, dass den Kleinen nicht kalt wird

Dem Vorurteil, dass die Kinder durch das viele Spielen im Freien ständig erkältet seien, begegnet die Erzieherin übrigens gelassen. „Das Gegenteil ist der Fall, die Kinder und die Erzieherinnen sind deutlich seltener krank als in anderen Einrichtungen“, berichtet sie.

Zu kalt sei es den Kleinen draußen ohnehin nicht: Viele Bewegungsspiele sorgten dafür, dass es den Kindern warm genug sei. „Und wenn es gar nicht anders geht, ist ja auch noch der Bauwagen als beheizte Zuflucht da“, sagt Schäfer. Abgesehen davon biete der Kindergarten alle pädagogischen Angebote, die sonst üblich seien – von der Sprachförderung übers Werken bis hin zur Vorschularbeit. „Das Programm ist wie im normalen Kindergarten, nur eben im Freien“, erklärt die Leiterin.

Die fünfjährige Pia hat derweil genug an ihrem Stock gefeilt. Inzwischen weiß sie auch, was sie damit anfangen will. „Das ist ein Zauberstab“, kräht sie und reckt den Stab stolz in die Höhe. Viel herbeizaubern müsste sie allerdings nicht. Denn für ihre Erzieherin Ute Schäfer steht fest: „Das ist der schönste Kindergarten der Welt hier.“