Heftiger Protest in Baiersbronn gegen MP Kretschmann und Minister Bonde Foto: dpa

Der Ministerpräsident sagt seinen Besuch beim DFB-Pokalhalbfinale ab und wirbt in Baiersbronn für einen Nationalpark, doch der Protest ist heftig.

baiersbronn - Es kommt wie erwartet. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (beide Grüne) sind am Mittwochabend bei ihrem Werben um einen Nationalpark Nordschwarzwald in Baiersbronn von wütenden Protesten begleitet worden. Zwar hat die Polizei „Anti-Konflikt-Teams“ entsendet, aber die Kritiker lassen sich davon nicht beeindrucken. Plakate wie „Wer Bauern quält, wird nicht gewählt“ oder „Wer bei dieser Waldpolitik nicht verrückt wird, ist nicht normal“ sind aufgestellt. Oder eine Ansammlung von abgestorbenen Fichten, dazu das Schild „Unsere Heimat 2043“.

Als Kretschmann unter Polizeischutz die Halle betritt, bricht ein gellendes Pfeifkonzert los. Da mögen die Befürworter noch so sehr applaudieren, für den Ministerpräsidenten und seinen Minister wird es ein Spießrutenlauf. Ursprünglich wollte Kretschmann an diesem Abend nicht nach Baiersbronn kommen, sondern sich das DFB-Pokalhalbfinale in Stuttgart anschauen. Aber vor dem Hintergrund der eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern hatte man am Mittag in der Regierungszentrale entschieden, dass Kretschmann doch in das Zentrum des Widerstands fährt, um dem Vorwurf einer Bürgerin entgegenzutreten, er würde kneifen. „Wir haben umgeplant und den Besuch im Stadion abgesagt“, bestätigt ein Regierungssprecher am Abend gegenüber unserer Zeitung. Für Kretschmann sei das „eine Frage der Ehre und kein Opfer“.

Doch der Ministerpräsident spürt schnell, wie aufgeladen die Atmosphäre rund um das grün-rote Prestigeprojekt ist. Der Freudenstädter Landrat Hans Michael Rückert wird bei seiner Rede gnadenlos ausgepfiffen. Sein Appell, „Andersdenkende zu respektieren“, verhallt. Rückert lobt den Beteiligungsprozess für die Bürger an dem Projekt und ist zufrieden mit den im Gutachten aufgezeigten Perspektiven für den Tourismus. „Lügner, Lügner“-Rufe schlagen ihm daraufhin entgegen. Als Rückert dem Ministerpräsidenten offeriert, die Forstbehörde des Landratsamts Freudenstadt sei „zur Mitarbeit am Aufbau des Nationalparks“ bereit, erschallen „Aufhören, aufhören“-Schlachtgesänge. Und als Rückert sich offiziell zum Nationalpark bekennt („Er hat mehr Chancen als Risiken“), erreicht das Pfeifkonzert ungeahnte Phondimensionen. „Lügner, Lügner“, brüllen die Gegner.

Kretschmann selbst geht auf die Proteste erst einmal nicht ein. Nur den Vorwurf, er sei ein Diktator, weist er zurück: „Ich bin ein ganz gewöhnlicher, wenn auch grüner Ministerpräsident.“ Er lobt das Ergebnis des Gutachtens, „das uns in unserer Einschätzung bestätigt, den Nationalpark voranzubringen“. Wieder beginnt das Pfeifkonzert. Ein Nationalpark biete „eine Vielzahl von Chancen für die Natur, den Tourismus und die Region“.

Der Protest wird noch lauter. Immer wieder muss der Regierungschef seine Rede unterbrechen und meint mit Blick auf die Sorgen der Gegner: „Das Problem können wir nur lösen, indem wir auf den Nationalpark verzichten.“ Da brandet Jubel auf. Aber Kretschmann denkt nicht an Aufgabe. Vielmehr bietet er spontan den Gegnern an, auch eine Rede zu halten. So kommt es dann, gefolgt von vielen Fragen. Befürworter wie Gegner melden sich, von Versöhnung kann aber auch nach drei Stunden keine Rede sein.