Alexander Bonde: Flucht nach vorn in Sachen Nationalpark Foto: dpa

Grün-Rot hält daran fest, im Nordschwarzwald einen Nationalpark auszuweisen. Die Vorentscheidung soll im Juni fallen. Doch kann die Regierung über das Bürgervotum hinweggehen?

Stuttgart - Grün-Rot hält daran fest, im Nordschwarzwald einen Nationalpark auszuweisen. Die Vorentscheidung soll im Juni fallen. Doch kann die Regierung über das Bürgervotum hinweggehen?

Es ist Montagmorgen, Tag eins nach den Bürgerbefragungen zum geplanten Nationalpark. Die Woche könnte besser beginnen für Grün-Rot. Die Telefondrähte glühen. Bürgermeister, Landräte und das Landwirtschaftsministerium in Stuttgart haben regen Gesprächsbedarf. Mit dieser klaren Ablehnung des Nationalparks haben nur wenige gerechnet. Nur bei der FDP fühlt man sich bestätigt. Die Liberalen haben zu einer Pressekonferenz geladen, und Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke macht kurzen Prozess: „Aus unserer Sicht ist der Nationalpark mausetot.“ Sein CDU-Kollege Peter Hauk sieht das ähnlich. Grün-Rot müsse „jetzt ganz von dem Projekt Abstand nehmen oder einen Neustart machen“.

Bergerbefragung? „Ein unverbindliches Meinungsbild“

Aber davon will die Regierung nichts wissen. Im Gegenteil: Nach dem War-da-wasMotto sieht Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) erst mal keine Notwendigkeit, Position zu beziehen. Erst als die Anfragen der Medien sich stapeln, entscheidet er sich kurzfristig zu einer Pressekonferenz. 13 Uhr, Landwirtschaftsministerium. Der Kleine Sitzungssaal ist völlig überfüllt, die Luft stickig. Das passt zur aufgeladenen Atmosphäre bei diesem Thema. Aber Bonde mag die Tatsache, dass sieben Kommunen im Nordschwarzwald – darunter namhafte Orte wie Baiersbronn und Bad Wildbad – tags zuvor bei Bürgerbefragungen den geplanten Nationalpark mit bis zu 87 Prozent abgelehnt haben, nicht überbewerten. Natürlich hätte er sich „ein schöneres Meinungsbild gewünscht“. Ob er mit dem klaren Nein gerechnet habe? „Ja“, lautet die kurze Antwort. Was schiefgelaufen ist bei der Informationskampagne von Grün-Rot? „Ich bedauere, dass zwei Jahre intensive Diskussion die Gegner nicht überzeugen konnten.“ Man nehme die Ergebnisse der Bürgerbefragungen „sehr ernst“, aber es handle sich nur um „ein unverbindliches Meinungsbild“, das für die Entscheidung im Landtag nicht bindend sei. Wer wolle, dass nicht der Landtag, sondern alle Bürger im Land über den Nationalpark entscheiden sollen, müsse halt ein Volksbegehren auf den Weg bringen. Bonde sagt das mit dickem Selbstbewusstsein, wohl wissend, dass es aufgrund der hohen Quoren nicht dazu kommen wird und es auf Landesebene wohl eher viel Zustimmung geben würde.

Bonde macht lieber Front gegen die Gegner. Er wirft ihnen „Stimmungsmache“ vor, sie hätten mit ihrer Kampagne „eine unheimliche Verunsicherung“ bei den Bürgern gestreut. Aber der angespannt wirkende Minister mag sich davon nicht beirren lassen. Grundsatzfragen würden jetzt nicht mehr diskutiert, nun gehe es um die Ausgestaltung. Die Ablehnung in den sieben Orten stehe im Gegensatz zu nahezu 100 Kommunen im Nordschwarzwald, die bei dem Projekt „positiv gestimmt sind“. Baden-Württemberg müsse seinen „Teil der Verantwortung für den Artenschutz übernehmen“. Und deshalb werde er bis Ende Juni einen Vorschlag machen, wo der 10 000 Hektar große Nationalpark irgendwo in den Kreisen Freudenstadt, Calw, Rastatt, Ortenau oder Baden-Baden ausgewiesen wird.

„Die Befürworter des Nationalparks müssen nun Flagge zeigen.“

Dass ihm inzwischen etliche Landräte und Bürgermeister nahezu täglich neue Wälder anbieten, um den Zuschlag für den Nationalpark und damit finanzielle Mittel zu erhalten, räumt der Minister offen ein. Jüngstes Beispiel: die bisher unbeteiligte Stadt Bühl. Andere ziehen sich dafür zurück. „Für mich hat sich das Thema Nationalpark erledigt. Das Votum meiner Bürger ist bindend“, teilt Klaus Mack, Bürgermeister von Bad Wildbad, am Montag mit. Er appelliert an Grün-Rot, „das Ergebnis der Befragung nicht einfach zur Seite zu legen“.

Wird aus der von Grün-Rot selbst proklamierten „Politik des Gehörtwerdens“ also eine Politik des Erhörtwerdens? Grünen-Landtagsfraktionschefin Edith Sitzmann mag diese grundsätzliche Debatte am Montag erst gar nicht anfangen: „Wir wollen so viele Menschen wie möglich von der Richtigkeit des Vorhabens überzeugen.“ Auch ihr SPD-Kollege Claus Schmiedel will das Projekt nicht begraben: „Die Befürworter des Nationalparks müssen nun Flagge zeigen.“ Es brauche „nun klare Voten“ aus den anderen Kommunen und Kreisen im Nordschwarzwald. Ob das gelingt, ist fraglich.

Bester Beleg: der Landkreis Freudenstadt. Noch vor wenigen Tagen betonte Landrat Klaus-Michael Rückert (CDU) vollmundig, man stehe hinter dem Nationalpark. Am Sonntag, parallel zur Bürgerbefragung in der Stadt Freudenstadt, sprach sich der CDU-Kreisverband mit 80,4 Prozent gegen den Nationalpark aus. Das dürfte nicht ohne Folgen für die anstehende Abstimmung im Kreistag bleiben, wo die CDU die Mehrheit hat. Doch Rückert ist für eine Stellungnahme am Montag nicht erreichbar. Wo er ist? Informationstour im Nationalpark Harz.