Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne, links) und Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) sehen die Nationalpark-Pläne durch ein Gutachten bestätigt. Foto: dpa

Der Nordschwarzwald könnte Heimat des 15. Nationalparks in Deutschland werden. Die Voraussetzungen dafür sind nach einem Gutachten erfüllt. Ob sich die Gegner davon besänftigen lassen?

Stuttgart - Der erste Nationalpark in Baden-Württemberg rückt näher. Die grün-rote Landesregierung sieht sich in ihren Plänen für einen Nationalpark im Nordschwarzwald durch ein Gutachten bestärkt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Montag bei der Vorstellung der Expertise in Stuttgart: „Das Ergebnis bestätigt unsere Einschätzung und spricht für die Einrichtung eines Nationalparks im Schwarzwald.“

Das Kabinett werde Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) beauftragen, weitere Schritte zur Einrichtung eines Nationalparks anzugehen. Das Gesetzgebungsverfahren selbst solle eingeleitet werden, wenn das Gutachten in der Region öffentlich diskutiert worden sei. Skeptisch äußerten sich CDU und FDP sowie die Holz- und Sägeindustrie. Natur- und Umweltschutzverbände begrüßten die Pläne.

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte, für seine Partei sei die Frage eines Nationalparks mit dem Gutachten positiv beantwortet. Sowohl Naturschutz als auch ökonomische und soziale Belange würden mit dem Projekt stark befördert. Die Region verzeichnet rückläufige Übernachtungszahlen. Sie brauche einen neuen touristischen Impuls, den der Nationalpark geben werde, sagte Schmiedel. Er hofft, dass sich die kontroverse Debatte nun dreht und skeptische Äußerungen abnehmen. „Diesen Schmelz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir sind Tourismusgemeinde im Nationalpark Nordschwarzwald“, sagte er zum erwarteten Imagegewinn für die beteiligten Gemeinden.

Der geplante Nationalpark soll 10.000 Hektar groß sein

Im Nordschwarzwald gibt es drei Teilregionen, die entweder alleine oder in Kombination für den Park infrage kommen. Der geplante Nationalpark soll 10.000 Hektar groß sein. Das Gutachten, das auch Anregungen und Fragen aus der Bevölkerung aufgreift, wird bis Ende April in der Region vorgestellt und diskutiert. In Deutschland gibt es 14 Nationalparks, etwa im Harz, im Bayerischen Wald, im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer und in der Sächsischen Schweiz.

Im Südwesten gibt es von der holzverarbeitenden Industrie Kritik an den Plänen, weil in der Kernzone des Parkes, die einmal 75 Prozent einnehmen wird, kein Holz geschlagen werden darf. Bonde sagte zu, die Holzmengen aus anderen Gebieten des Staatswaldes zu kompensieren. Nach Berechnungen der Gutachter gilt es, im Jahr durchschnittlich rund 26 600 Festmeter zu ersetzen. „Wir glauben, man kann hier eine Menge an Kompensation erreichen. Es bedarf hierzu aber einiger personeller und finanzieller Anstrengungen“, sagte Alfred Höhn von der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers. Sollte die Kompensation nicht gelingen, gingen im ungünstigsten Fall etwa 110 Arbeitsplätze in Sägewerken und bei angegliederten Dienstleistern verloren.

Dafür rechnen die Gutachter aber - je nach Szenario - mit 248 bis 621 neuen Arbeitsplätzen im Tourismus. Die Experten halten es für realistisch, dass ein Nationalpark jährlich rund 190.000 neue Übernachtungsgäste und rund 255.000 neue Tagesgäste anziehen wird. Sie könnten neue Umsätze von rund 18 Millionen Euro generieren - dies entspräche nach Angaben der Gutachter 428 Vollarbeitsplätzen.

Gegner: Hoffnungen sind überzogen

Der Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie entgegnete, die Hoffnungen auf positive Tourismuseffekte erwiesen sich oft als überzogen. Die Nationalparks in Deutschland hätten sich bislang nicht als Tourismus-Magnete erwiesen. „Ein verwilderter Wald ist für Urlauber unattraktiv, da ein Großteil der Waldfläche nicht mehr betreten werden kann“, sagte Generalsekretär Lars Schmidt. Der Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, Andreas Braun, erklärte, mit einem Nationalpark bestünde die Chance, eine Trendwende bei den seit zwei Jahrzehnten rückläufigen oder stagnierenden Übernachtungszahlen in der Region einzuleiten.

Gegner befürchten vor allem einen Befall mit Borkenkäfern in einem nicht mehr bewirtschafteten Wald. Bonde bekräftigte, dass eine mindestens 500 Meter breite Pufferzone zwischen dem Park und den angrenzenden Wäldern eingerichtet werden soll, damit der Käfer nicht übergreift. Die Gutachter gehen davon aus, dass maximal ein Viertel der Nationalparkfläche von den Käfern befallen wird. „Großflächige „Katastrophenwälder“ mit mehreren 100 Hektar zusammenhängender Schadfläche sind nicht zu erwarten“, heißt es in dem Gutachten.

CDU-Fraktionschef Peter Hauk und CDU-Naturschutzexperte Patrick Rapp forderten die Landesregierung auf, das Gutachten nicht als Schlussargument zu verwenden, sondern die Argumente und Ausführungen des Gutachtens intensiv und ergebnisoffen mit den Menschen vor Ort zu diskutieren. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, seine Fraktion lehne den Nationalpark weiterhin ab. Er forderte, Grün-Rot solle die Menschen in der Region über den Naturpark abstimmen lassen.