Gomez auf der Bank der Nationalmannschaft: Nur noch Erinnerung? Foto: Baumann

Joachim Löw will flexible Spieler im Angriff der deutschen Nationalelf. Hat die Entwicklung Stürmertypen wie Mario Gomez überholt? Es sieht ganz so aus.

Stuttgart - Es liegt in der Natur der Sache, dass die Fachwelt am ehesten dann Notiz von einem Stürmer nimmt, wenn er das macht, wofür er bezahlt wird. Mario Gomez (29) traf neulich zweimal beim 2:2 seines Arbeitgebers AC Florenz im Auswärtsspiel gegen Udinese Calcio. Was schon deshalb für ein gewisses Aufsehen sorgte, weil ihm das Kunststück innerhalb von drei Minuten gelang. Und weil der ehemalige Torjäger des VfB Stuttgart zuvor ziemlich lange außer Dienst gewesen war. Anfang des Jahres quälte ihn eine Verletzung im Sprunggelenk, dann machte ihm eine Bänderdehnung zu schaffen.

Jetzt sagt Bundestrainer Joachim Löw über Gomez’ Perspektiven in der Nationalmannschaft: „Er ist noch irgendwie in unserem Blickfeld.“ Das klingt nicht so, als hätte der wuchtige Stoßstürmer in Reihen der DFB-Auswahl noch mit einer großen Zukunft zu rechnen. Zwar sagt Löw: „Wenn Mario den Rhythmus findet, regelmäßig spielt und trifft, sich durchsetzt in Italien, ist er natürlich auch wieder ein Thema für die EM.“ Die Indizien deuten aber auf ein schleichendes Ende hin. Schon früh vor der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr hatte sich Löw zum Erstaunen vieler Experten gegen Gomez entschieden. Noch während der Stürmer nach einer schweren Verletzung verbissen für seine WM-Form schuftete.

Zum EM-Qualifikationsspiel nach Tiflis jedenfalls reiste der Weltmeister ohne Gomez – und streng genommen auch ohne einen Stürmer jenes Typs, der das deutsche Spiel über Jahrzehnte prägte. Durchsetzungsfähige, bullige oder auch listige Angreifer wie Uwe Seeler, Gerd Müller, Oliver Bierhoff, Jürgen Klinsmann oder auch Miroslav Klose suchten den Weg zum Erfolg häufig im Stoßverkehr des gegnerischen Strafraums. Gefüttert mit fein gezirkelten Flanken von den Flügeln oder überraschenden Pässen in die Tiefe. Die fällige Defensivarbeit erledigten sie, wenn überhaupt, mehr oder weniger uninspiriert. Weil es die Entwicklung im Fußball aber immer mehr erfordert, dass jeder Spieler so ziemlich alles kann, sind eindimensionale Angreifer vom Schlage eines Mario Gomez nicht mehr immer erste Wahl. „Es ist wichtig, dass wir vorn flexibel sind, wir haben da andere Typen“, gab Joachim Löw vor dem Duell gegen Georgien eine aktuelle Sturmwarnung an Gomez heraus.

Er setzt in Mario Götze, Mesut Özil, Max Kruse, Marco Reus oder Thomas Müller mehr und mehr auf Spieler, die zwar weniger über die klassischen Fähigkeiten des Mittelstürmers verfügen, dafür aber mit ihren technischen Fertigkeiten, mit ihrer Passsicherheit und ihrer Schnelligkeit einen Ballwirbel inszenieren, der handelsübliche Abwehrformationen aus ihrer sorgfältig einstudierten Ordnung reißt. „Ich glaube“, sagte Löw, „dass Mario nach wie vor großartige Fähigkeiten im Strafraum hat.“ Aber es spricht wenig dafür, dass er sie im Nationaltrikot noch einmal zeigen darf.