Auf dem Vormarsch: Angreifer Mario Gomez. Foto:  

Ex-VfB-Angreifer Mario Gomez steht beim Testspiel der Nationalelf gegen England in der Startelf – und Bundestrainer Joachim Löw lobt ihn plötzlich in den höchsten Tönen. Gomez’ EM-Chancen steigen.

Stuttgart/Berlin - Die Beziehung zwischen Mario Gomez (30) und der Nationalelf, sie schien zerrüttet zu sein. Die Geschichte voller Missverständnisse und Enttäuschungen drohte irgendwo im Nirgendwo zu enden. Gomez polarisierte. Viele Fans hielten ihn wegen seines aufrechten, eleganten Gangs für einen arroganten Schönling. Und als der Stürmer ins Schwarze traf, da hieß es oft, dass das doch jeder Kreisligakicker auch geschafft hätte – mit links. Selten jubelten die Anhänger Gomez zu. Der kann nicht kämpfen, dem verspringen die Bälle, der trifft halt ab und zu, weil ihn die anderen gut in Szene setzen. Das war die öffentliche Wahrnehmung.

Spätestens nach der berühmten Slapstick-Einlage des Angreifers bei der EM 2008, als er im letzten Gruppenspiel gegen Österreich (1:0) die Kugel aus einem Meter Entfernung nichts ins, sondern übers Tor schoss, war Gomez gefühlt so beliebt wie Cristiano Ronaldo oder Arjen Robben.

Kurzen Zwischenhochs des ehemaligen VfB-Angreifers jedenfalls folgten Enttäuschungen und Kritiken wie jene von ARD-Experte Mehmet Scholl, der bei der EM 2012 Angst hatte, dass Gomez sich mangels Bewegung wund liegen könnte. Auch Bundestrainer Joachim Löw rückte nach einigen Formkrisen und Verletzungen von Gomez ab. Und spätestens nach der Nichtberücksichtigung bei der WM 2014 schien das Kapitel bei der Nationalelf beendet zu sein.

Nun, fast zwei Jahre später, lässt sich dazu nur eines sagen: Klarer Fall von denkste!

Gomez bekommt Einsatzgarantie

Mario Gomez soll bei der EM in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) plötzlich die Lücke schließen, die Rekordtorschütze Miroslav Klose nach seinem Rücktritt nach dem WM-Triumph in Brasilien hinterlassen hat. „Mario hat spürbar mehr Selbstbewusstsein. Er hat wieder seine alte Sicherheit. Das erkennt man in jedem Training an seinen Bewegungen, seiner Ausstrahlung und seiner Körpersprache“, sagte Joachim Löw. Der Bundestrainer gab Gomez eine Einsatzgarantie von Beginn an für den Länderspielklassiker an diesem Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in Berlin gegen England.

Der Bundesliga-Torschützenkönig von 2011 sei nach seinem Wechsel zu Besiktas Istanbul wieder aufgeblüht und in einer glänzenden Verfassung, betonte Löw, der den früheren Bayern-Stürmer auch schon am Bosporus live unter die Lupe genommen hat: „Er trifft wieder nach Belieben und zeigt Woche für Woche hervorragende Leistungen“, sagte der Bundestrainer.

Bereits beim letzten Länderspiel im vergangenen November in Paris gegen Frankreich (0:2) habe Gomez überzeugt, wie Löw berichtete: „Er hat den Gegner immer beschäftigt, das hat mir gut gefallen.“ Gomez selbst hielt sich nach seinen Erfahrungen von vor zwei Jahren bedeckt: „Ich werde alles dafür tun, mit zur EM zu fahren. Alles andere liegt nicht in meiner Hand“, sagte er. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn mit seinen Treffern für Besiktas Istanbul macht der einzig verbliebene klassische Mittelstürmer in der Nationalelf Woche für Woche Eigenwerbung.

Zukunft nach der EM ist offen

Ob Gomez auch kommende Saison für Besiktas spielt, steht aber noch in den Sternen. Nach den Terroranschlägen in Istanbul und Ankara, die auch Gomez zu schaffen machen, verdichten sich die Anzeichen, dass er den türkischen Tabellenführer nach nur einer Saison wieder verlässt. Angeblich sind sogar Manchester United und Real Madrid an ihm interessiert. Gomez, der diese Saison wettbewerbsübergreifend bereits 21 Tore erzielt hat, war im vergangenen Sommer für zwei Jahre vom AC Florenz an Besiktas ausgeliehen worden. Der türkische Spitzenreiter hat nach dieser Spielzeit eine Kaufoption für die symbolische Summe von 1000 Euro. Sollte Gomez nach Florenz zurückkehren und dann weiterverkauft werden, würde Besiktas angeblich 50 Prozent einer möglichen Ablösesumme erhalten.

Das alles aber ist Zukunftsmusik – nun steht erst einmal das Länderspiel gegen England an. Und damit die unerwartete Chance für Mario Gomez, sich doch noch für die EM zu empfehlen.