Die Kocher-Fetza haben sich eine besonders schnittige Kiste gebastelt. Trotzdem bekommen sie am Sektstopp wie alle Teams etwas Starthilfe von Anschiebern. Foto: Horst Rudel

Wenn bei brütender Hitze Guggenmusiker rhythmisch scheppern, Männer Schottenröcke oder Schlumpfshirts tragen und Zünfte mit Schlachtrufen Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ übertönen, dann ist Narrenkistenrennen.

Süßen - Jetztischdrdeifllos – zu hochdeutsch Jetzt ist der Teufel los – so heißt die Süßener Fasnetszunft, die am Samstag zum dritten Mal ein paar Stunden der fünften Jahreszeit in den Sommer geschmuggelt hat. Seit drei Jahren veranstalten die 33 aktiven Mitglieder ihr Narrenkistenrennen Anfang Juni – und die Süßener und viele Fasnetsfans aus anderen Orten lassen sich nicht lange bitten und feiern mit. Die Teams in ihren selbst gebauten Rennkisten, die vom Mosherhof am Stadtrand den Hang zur Baumschule Clement hinabrasen, sind bei der Veranstaltung zwar der Mittelpunkt. Aber wer am Ende gewinnt, ist gar nicht so wichtig. „Eigentlich geht es vor allem darum, dass alle ihren Spaß haben“, sagt Marc Dangel von Jetztischdrdeifllos.

Als Sektwart des Vereins ist Dangel beim Narrenkistenrennen dafür verantwortlich, dass jeder Fahrer beim Boxenstopp auf halber Strecke tankt, also einen Becher Sekt leert. Erst dann dürfen die Piloten Richtung Ziellinie weiter. Die Tankpflicht hat so ihre Tücken. Der Fahrer des Teams Dragonfly etwa hat sich aus einem Bauhelm mit Plastikschild einen Schutzhelm gebaut. Vor lauter Eile versucht er, den Becher mit dem Schaumwein irgendwie unter sein Schild zu quetschen, statt einfach den Helm abzunehmen. Die Hälfte des Sekts landet in seinem Gesicht. Aber Narren sind großzügig. Das Team Dragonfly und sein begossener Pilot dürfen passieren.

Manchmal greifen die Fahrer zu Ben-Hur-Tricks

Doch die Adelberger Hundsholdhexen sind dem Team auf den Fersen und setzen zum Überholen an. Die Fahrer schaukeln in ihren Kisten vor und zurück, um sie zu beschleunigen. In Ben-Hur-Manier greifen sie hinüber und versuchen, die gegnerische Kiste aufzuhalten. Die Zuschauer haben ihren Spaß – so lange es keiner übertreibt, sehen die Narren solche Tricks bei ihrem Rennen entspannt.

Insgesamt sind am Samstag zehn Teams am Start. Immer zwei treten gegeneinander an. Der Sieger kommt in die nächste Runde. Die Verlierer versuchen sich später bei Geschicklichkeitsspielchen für die Trostrunde zu qualifizieren. Am Ende stehen neben den drei Teams mit den schnellsten Kisten auch die Fahrer des originellsten Gefährts auf dem Siegertreppchen. Denn Kreativität ist bei den Narren ebenso hoch angesehen wie Erfolg.

Ratlose Gesichter: Im vorletzten Rennen taucht nur eine Kiste auf

Doch bevor es aufs Podest geht, muss erst noch gefahren werden. Die meisten Zuschauer haben es sich unter Sonnenschirmen auf den Bierbänken im Ziel gemütlich gemacht. Aus den Lautsprechern dröhnen Fasnetshits, Schlager und deutscher Hip Hop. Manche schunkeln mit, viele lassen sich ihr Bier in der Sommerhitze schmecken. Einzelne, vor allem Kinder, stehen auf den Wiesen entlang der Strecke. Ein paar Knirpse haben sich mit kleinen Trommeln von der letzten Fußball-WM in den deutschen Nationalfarben ausgerüstet und feuern die Narrenkistenfahrer an. Am Sektstopp machen es sich einige Zuschauer auf der Wiese bequem. Andere suchen den Schatten unter den Schirmen, die sich auch dort über Bierbänke spannen. Doch sobald die nächsten Kisten anrollen, springen alle auf, viele mit gezückten Handykameras.

In der vorletzten Runde gibt es ratlose Gesichter. Nur eine Kiste rollt an den Sektstopp. Unter den Zuschauern herrscht das große Rätselraten: Wo ist das gegnerische Team geblieben? Die Antwort: die Wangener Forstberghexen sind mit ihrer rekordverdächtigen Acht-Mann-Kiste im Graben gelandet. Achsbruch. Ein Traktor schleppt das gestrandete Gefährt aus dem Acker, ein Transporter bringt die Besatzung ins Tal.

Die Narren scheint der Schiffbruch nicht weiter zu bekümmern. Sie feiern – während ihr Gefährt den Hang hinabgeschleppt wird – so enthusiastisch weiter, dass ihre Kiste heftig schwankt. Womöglich wäre der Boden unter den Füßen des ein oder anderen auch so nicht ganz fest gewesen. Nicht umsonst hat ihr Rennvehikel die Form einer überdimensionalen grünen Bierkiste mit dem bekannten Schriftzug „A gscheit’s Bier ". Keine Überraschung, dass die Wangener am Ende den Preis für Originalität einheimsen. Am schnellsten waren die Adelberger Hundsholzhexen gefolgt von den Heininger Kirschkernspuckern und dem Team Schengawuschd.