Klare Ansagen bei unserer Mittendrin-Veranstaltung: Michael kündigt ein kommunales Beschäftigungsprogramm an Foto: Leif Piechowski

Stuttgart hat mindestens zwölf Brennpunkte, in denen eine miserable Nahversorgung herrscht. In Ansätzen wurde das Problem von der Stadt erkannt. Manches wurde getan. Aber eine grundsätzliche Lösung steht aus. Ein Ärgernis für Bürger und die SPD.

Stuttgart - Zu Fuß zum Supermarkt. Für viele Stuttgarter ist das nur eine schöne Vision. In mindestens zwölf Stuttgarter Stadtbezirken ist das nicht mehr möglich. Damit ist für den zuständigen Bürgermeister Michael Föll (CDU) klar: Es muss etwas passieren.

Erste Aktion: der Gemeinderat entschied, eine externe Firma zu beauftragen. Sie sollte die Probleme genau benennen und Lösungsansätze liefern. Doch die Ergebnisse der Cima Beratung + Management GmbH, so der Name des von der Stadt beauftragten Unternehmens, lassen auf sich warten.

Für SPD-Stadtrat Hans H. Pfeifer „ein Unding“. Die Expertise sei seit Monaten fertig, werde dem Gemeinderat aber nicht als Diskussionsgrundlage präsentiert. Der ehemalige Citymanager ärgert sich über Finanzbürgermeister Michael Föll: „Obwohl wir schon seit Wochen beantragt haben, das Gutachten vorzulegen, passiert nichts. Das ist eine fürchterliche Verzögerung. Denn die Nahversorgungssituation hat sich inzwischen verschärft.“

Pfeifer spielt auch auf die Situation der Bonus-Märkte an. Denn dort ist man im Vertrauen auf die Versprechungen von Föll ein finanzielles Risiko eingegangen. Diese Versprechen waren sozusagen der letzte Notnagel für die Bonus-Märkte, um den Betrieb weiter zu sichern. Bonus-Chef Manfred Kaul hat beispielsweise den Mietvertrag für die Ladenfläche auf der Rohrer Höhe um drei Jahre verlängert. „Ohne die Zusagen hätte ich das nicht gemacht“, sagt Kaul, „drei Langzeitarbeitslose waren bereits ausgewählt und warten seit Monaten darauf, im Bonus-Markt auf der Rohrer Höhe anfangen zu können.“

Der Erste Bürgermeister Michael Föll hatte erstmals auf einer „Mittendrin“-Podiumsdiskussion der Stuttgarter Nachrichten im Juni 2014 städtische Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose versprochen, um Bonus zu unterstützen. „Einen kommunalen Lohnkostenzuschuss halte ich für einen sinnvollen Ansatz“, sagte Föll damals. Weiter sagte Föll: Eine Eintagsfliege dürfe der Zuschuss allerdings nicht sein. „Langzeitarbeitslose brauchen zwei bis drei Jahre für Qualifizierung und Integration.“ Im September 2014 bekräftigte Michael Föll seine Zusage noch einmal. „Ein kommunales Beschäftigungsprogramm soll nun bis zum Jahresende umgesetzt werden“, sagte er anlässlich der Eröffnung eines neuen Wochenmarkts in Stuttgart-Rot. Dann hatte er Lösungen auf März vertagt.

„Aber seitdem herrscht Sendepause“, klagt Hans H. Pfeifer, der Wirtschaftsexperte der SPD. Michael Föll widerspricht dieser Darstellung: „Selbstverständlich habe ich die Thematik in der Ausschusssitzung am 17. April dargestellt und angekündigt, dass ich unter Einbeziehung der Bundesprogramme einen Vorschlag zur Beratung und Entscheidung nach Pfingsten vorlegen werde.“ Dann will Föll Nägel mit Köpfen machen: „In dem Kontext wird auch die Vorlage zum Nahversorgungskonzept behandelt.“

Michael Föll sieht die Lösung seit langem in einer Mischform: Das Zusammenspiel von „vier Elementen in jedem Gebiet“ könne eine annehmbare Lösung bieten. Die Ansiedlung oder Erhaltung von Bonus- oder Cap-Märkten, neue Wochenmärkte nach dem Vorbild von Uhlbach, der Einsatz von Ortsbussen wie in Botnang oder mobile Lösungen.

Doch zwischen Theorie und Praxis klafft eine Lücke: Nach Lage der Dinge brechen nicht nur Bonus-Märkte in verschiedenen Stadtteilen weg, auch die Cap-Märkte in Untertürkheim und Obertürkheim stehen vor einer unsicheren Zukunft. Hintergrund ist die mögliche Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters in Untertürkheim. Was sich im Sinne der Nahversorgung wie ein Glücksfall anhört, wäre für Cap wohl das Ende. Denn der eine Laden hängt laut Betreiber vom anderen wirtschaftlich ab. Das Ende in Untertürkheim bedeutete damit auch das Ende in Obertürkheim. Für Hans H. Pfeifer ist damit klar: „Es wird höchste Zeit, dass wir uns mit dem Thema Nahversorgung eingehend beschäftigen.“