Für Obst und Gemüse weite Strecken fahren – das müssen viele Stuttgarter. Foto: dpa

Im Stadtteil Steinhaldenfeld in Bad Cannstatt hat sich trotz langer Suche kein neuer Pächter für einen leer stehenden Lebensmittelmarkt gefunden. Auch anderswo im Stadtbezirk ist die fußläufige Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs weiterhin schlecht.

Bad Cannstatt - Frisches Obst und Gemüse, Brot und Milch: Der Wunsch nach einer fußläufig erreichbaren Möglichkeit zur Nahversorgung im Stadtteil ist bei den meisten Menschen groß. Tatsächlich genutzt werden die kleinen Supermärkte oder Tante-Emma-Läden dann aber nicht. Am Ende fährt man eben doch lieber zum Discounter und lädt sich den Wagen voll. Für die vergessene Butter oder drei Eier lohnt sich ein Sprung in den Laden ums Eck. Für den Betreiber lohnt sich dies aber nicht: Die Umsätze sind zu niedrig, der Laden macht zu.

Auch in Bad Cannstatt gibt es nicht in jedem Stadtteil Lebensmittelgeschäfte, ganz im Gegenteil. In Steinhaldenfeld beispielsweise hat sich für den ehemaligen Supermarkt „Nus-Markt“ kein Nachfolger gefunden. Der frühere Pächter Panagiotis Anastasiadis hat inzwischen in Stuttgart-Sonnenberg an der Laustraße eine Fläche gepachtet, dort laufen die Geschäfte gut. Auch er hatte damals wegen zu geringer Umsätze aufgeben müssen.

Keine Chance mehr für einen Supermarkt

Das Gebäude an der Falchstraße gehört der Ackermann-Gemeinde Wohnungsbaugesellschaft. „In Sonnenberg gibt es eine andere Klientel“, sagt der Geschäftsführer Frank Kolb. „Dort gibt es ganz andere Voraussetzungen als in Steinhaldenfeld.“ Leider habe man es nicht geschafft, für die Fläche wieder einen Pächter zu finden, der Lebensmittel anbieten möchte, sagt Kolb. „Wo nun auch noch der Rewe an der Schmidener Straße aufgemacht hat, gab es hier absolut keine Chance mehr für einen Supermarkt.“ Man habe alles Mögliche probiert, mit der Wirtschaftsförderung gesprochen, beispielsweise auch mit Bioläden Kontakt aufgenommen – erfolglos. Seit circa einem Jahr steht die Fläche leer. Ein Mietverhältnis mit einem Mann, der eine Fertigung für Feinmechanische Produkte wie Brillen und Zahnspangen dort einrichtigen wollte, habe nicht aufrecht erhalten werden können. Auch mit einem Billard-Club habe es nicht funktioniert, sagt Kolb. Nun wird eine Kampfsportschule eröffnen.

„Natürlich war es in unserem Interesse, wieder Nahversorgung dort hineinzubringen, aber es ging nicht. Also haben wir uns für die Kampfsportschule entschieden“, sagt der Geschäftsführer. Deren Konzept habe sie überzeugt. Es handle sich um drei Daimler-Ingenieure, die es als zweites Standbein betreiben wollen. Start soll am 1. Juni sein. Neben Thai-Boxen werden auch Kurse in Selbstverteidigung angeboten. „Das hat nichts mit Hinterhof-Boxen zu tun, wir sind überzeugt, dass die Betreiber das ernst und wichtig nehmen und damit keine schlechte Klientel nach Steinhaldenfeld gezogen wird“, sagt Kolb.

Auch die Neckarvorstadt hat erst vor Kurzem eine Möglichkeit zur Nahversorgung verloren. Der Neckar Store an der Brückenstraße muss Ende Mai schließen. Weil das Gebäude dringend saniert werden muss, hat die Eigentümerin, die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), allen Mietern des Hauses gekündigt. Besonders mau sieht es in den Stadtteilen Burgholzhof und Birkenäcker aus. Ein von der Stadt Stuttgart aufgelegtes Handlungskonzept zur Nahversorgung hatte sowohl Birkenäcker als auch Burgholzhof als unterversorgte Stadtteile mit dringendem Handlungsbedarf identifiziert.

Ein Stadtteil-Café mit Bestellung von Lebensmitteln scheiterte

Der Stadtteil Birkenäcker ist seit einigen Jahren komplett von der Nahversorgung abgehängt. Ein Anwohner der Darmstädter Straße appellierte vergangenes Jahr nach einer Bezirksbeiratssitzung, in der es um das Handlungskonzept Nahversorgung ging, an Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Es könne nicht sein, dass man mit der Floskel „Eigentum verpflichtet“ nur um sich werfe, was Wohnungsknappheit und Flüchtlinge angehe, so der Anwohner. Es sei höchste Zeit, dass einer der größten Wohnungsvermieter, der Bau- und Wohnungsverein BWV, sich um Ersatz für die seit Jahren geschlossenen Läden dort (Lebensmittelgeschäft, Metzgerfiliale und Schreibwarenladen) bemühe. „Ein Stadtteil-Café dagegen braucht in den Birkenäckern kein Mensch“, so der Anwohner.

Ein solches Café mit der Möglichkeit, Lebensmittel zu bestellen, war von den Wirtschaftsförderern im Handlungskonzept Nahversorgung angedacht gewesen, scheiterte dann aber in der Umsetzung. Im Burgholzhof gibt es zumindest einen portugiesischen Feinkostladen. Doch auch dieser sowohl die vorhandene Bäckerei ließen sich nicht von einer Erweiterung ihres Sortiments überzeugen.

Eine kleine gute Nachricht gibt es nun jedenfalls für die Einwohner von Steinhaldenfeld: Der Kiosk an der Stadtbahnhaltestelle soll in Kürze wiedereröffnen.