Die Stadtbahn ist ein Rückgrat des Nahverkehrs in Stuttgart. Über die Dienstpläne der Fahrer gibt es Streit Foto: Leif Piechowski

Der Betriebsrat der Stuttgarter Straßenbahnen AG kämpft vor Gericht gegen die zum Winterfahrplan eingeführten Fahrdienstpläne. „Die SSB verstößt gegen das Betriebsverfassungsgesetz“, sagt Anwalt Uwe Melzer.

Stuttgart - Die Ausweitung des Zehn-Minuten-Taktes in die Abendstunden zum Fahrplanwechsel hat den Nutzern von Bus und Stadtbahn in der Landeshauptstadt ein besseres Angebot beschert. Diejenigen, die die Dienstleistung umsetzten, die Fahrerinnen und Fahrer der Stuttgarter Straßenbahnen AG, stöhnen unter den neuen Dienstplänen. Der Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung eskaliert vor Gericht.

Am Donnerstag will das Arbeitsgericht Stuttgart über Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen zu Sonderfahrdienstplänen entscheiden. Betroffen sein könnten Fahrgäste zum Beispiel bei der langen Museumsnacht am Wochenende, oder auch beim Kirchentag. Am 13. März soll vor dem Landesarbeitsgericht geklärt werden, mit welchem Vorsitzenden eine Einigungsstelle besetzt wird, die über die Gestaltung der regulären Dienstpläne entscheidet.

„Das völlig neue Zuschneiden der Dienste hat für die Fahrer eine komplett neue Situation gebracht. Wer zwischendurch auf die Toilette gehen muss tritt die nächste Fahrt schon verspätet an“, sagt Thomas Asmus. Der Fahrdienstausschuss habe diesen Plänen nie zugestimmt. Asmus ist stellvertretender SSB-Betriebsratsvorsitzender und Vorsitzender des Fahrdienstausschusses.

Über Arbeitsverdichtung an die Fahrer weitergereicht

Dienstpläne seien in dem Unternehmen zwar „immer ein Thema“, Differenzen mit der Geschäftsführung hätten bisher geklärt werden können. Inzwischen sind die Fronten aber verhärtet. Das mit hohem Defizit arbeitende Unternehmen SSB sei weiter unter Druck. Der werde über Arbeitsverdichtung an die Fahrer gereicht, beschrieben Asmus und der Betriebsratsvorsitzende Klaus Felsmann am Dienstag vor der Presse die Lage.

Die Wendezeiten bei der Stadtbahn an der Endhaltestelle solle nur noch vier statt sechs Minuten dauern, obwohl der Fahrer durch die Bahn gehen und nach dem Rechten sehen müsse, bei den Bussen gelte eine Wendezeit von null Minuten.

Ein Toilettengang sei da nicht mehr drin, sagt Asmus. Die Fluktuation im Fahrdienst nehme zu, der Krankenstand im Busbetriebshof Gaisburg habe 2014 mit 13,4 Prozent einen Höchststand erreicht. Bereits seit 2013 verhandele man über neue Parameter wie die Mindest-Wendezeit oder die Struktur von Dienstzeiten, so Felsmann. Asmus nennt ein Beispiel: „Der Dienst sollte nicht nach zwei Stunden eine Pause und dann sechs Stunden am Stück ohne Pause vorsehen.“ Derartige Parameter habe man 2013 vorgelegt. „Das Unternehmen wollte sich nicht einigen, also gibt es jetzt die Konsequenzen“, so Thomas Asmus.

"SSB bricht damit das Betriebsverfassungsgesetz"

„Wir ziehen nicht gern vor Gericht, denn die SSB ist ein guter Betrieb“, so der Betriebsratschef, aber die Weigerung des Arbeitgebers, die Mitarbeiter in die Konzeption einzubeziehen, „sprengt den Rahmen“.

„Die SSB bricht damit das Betriebsverfassungsgesetz“, sagt Anwalt Melzer, und verabschiede sich damit von der bisher gelebten Sozialpartnerschaft. „Die SSB verweigert Mitbestimmung“, sagt die stellvertretende Verdi-Geschäftsführerin Ursula Schorlepp. Anwalt Melzer ist für das Unternehmen kein Unbekannter. Er hat die Arbeitnehmerseite bereits in einem Musterprozess zur Vergütung der Rufbereitschaft vertreten und letztlich vor dem Bundesarbeitsgericht gegen die SSB gewonnen. „Vielleicht hängt das ja noch nach“, sagt er.

Die erste Runde zu den Regefahrdienstplänen verlor Melzer vor dem Arbeitsgericht. Es lehnte eine einstweilige Verfügung gegen die SSB ab. Begründung: Das öffentliche Interesse an einer Aufrechterhaltung des Fahrbetriebs überwiege. Das muss aber keine Vorfestlegung für die Sonderdienstpläne zur langen Museumsnacht sein, über die am Donnerstag entschieden werden soll. Insgesamt seien bisher 16 Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht eingeleitet worden.

Es könnten noch deutlich mehr werden, denn jeder Einzelfall könne beklagt werden, sagt Melzer. Man wolle aber das Gericht nicht lahmlegen. Er blickt gespannt auf den Vorsitz der Einigungsstelle. Der Betriebsrat empfahl einen Richter aus Heilbronn, die Geschäftsführung einen aus Erfurt. Beide lehnten den Vorschlag der Gegenseite ab.