Die Fahrzeuge der Zahnradbahn sind seit 32 Jahren unterwegs und müssen ersetzt werden Foto: dpa

Der dreiköpfige Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG hat dem Aufsichtsrat am Dienstag gute Zahlen präsentiert. Der Bilanzgewinn ist aber ein einmaliger Lichtblick bei sonst trüben Aussichten. Die Verschuldung steigt.

Stuttgart - Immobilienverkäufe in Degerloch und Möhringen haben die Bilanz der ansonsten chronisch defizitären Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) für 2014 aufpoliert und ins Plus geführt. Zwei bis drei Millionen Euro werden in diesem Jahr bei Gesamterträgen von 342 Millionen Euro übrig bleiben. Auch 2015 soll es einen Sondereffekt durch den Verkauf eines Wohnbaugrundstücks am Vogelsang im Stuttgarter Westen geben, der 6,5 Millionen Euro Buchgewinn bringt. Damit würde das Minus und damit der Zuschussbedarf, den die SSB bei der Stadt anmeldet, bei rund 17 Millionen Euro liegen.

Weil der SSB das Tafelsilber ausgeht, das Unternehmen aber gleichzeitig in neue Strecken investiert, Immobilien sanieren und mittelfristig bis zu 40 alte Stadtbahnzüge ersetzen muss, wird sich der Gemeinderat bis 2018 mit einem Zuschussbedarf von bis zu 30 Millionen Euro jährlich auseinandersetzten müssen.

„Wir hoffen, dass die Stadtwerke Geld abwerfen, so dass die bisherige Zuschussgrenze von 25 Millionen Euro jährlich durch den Gemeinderat angehoben werden kann“, sagte SSB-Personalvorstand Reinhold Bauer am Dienstag vor der Aufsichtsratssitzung. Die Landeshauptstadt hat ihr Nahverkehrsunternehmen SSB steuersparend mit den Stadtwerken unter dem Dach der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrs GmbH (SVV) verknüpft. Gewinne sind bei den neu gegründeten Stadtwerken aber noch Mangelware. Die SSB-Verluste werden bisher aus der Rendite von Geldanlagen der SVV abgedeckt, aber diese schrumpft angesichts von Niedrigzinsen.

Gleichzeitig mit dem wachsenden Ersatzbedarf sinken die Zuschüsse von Bund und Land, zum Teil (zum Beispiel bei 20 neuen Stadtbahnen für 80 Millionen Euro) auf null. „Das Land muss mehr Geld aufbringen“, appelliert Bauer an die grün-rote Regierung.

Die SSB hat großen Ersatzbedarf. So müssen laut Vorstandssprecher Wolfgang Arnold zu den bisher 20 gelieferten und 20bestellten 40 weitere Stadtbahnen beschafft werden, um Fahrzeuge der ersten Generation zu ersetzen. Auch die inzwischen 32 Jahre alten Wagen der Zahnradbahn brauchen Ersatz. Über ihn soll bis 2018 entschieden sein.

Um die Verschuldung, die auf 250 Millionen Euro wachsen wird, nicht ausufern zu lassen hat die SSB Themen wie die Komplettsanierung des Hauptstandorts Möhringen (Büros und Werkstätten) für 60 Millionen Euro genauso zurückgestellt wie die Hallen für die neuen Stadtbahnen. In Möhringen und im Neckarpark sollen von 2016 an für 38 Züge Provisorien entstehen, sagt Arnold.

Arnold geht beim Thema Einsparungen noch weiter. Man werde „Abstriche bei den Standards“ machen, sagte er. So werde das teure Schleifen von Schienen reduziert. Die Stadtbahnen könnten dadurch in Kurven lauter werden „und es kann dazu führen, dass wir Schienen früher ersetzen müssen“, benannte Arnold die Kehrseite der Einsparung. Der Technik-Chef stimmte die Fahrgäste auch darauf ein, dass es „künftig bei Tariferhöhungen kein besseres Leistungsangebot“ geben könne. Zum Aufschlag 2015 (im Durchschnitt plus 2,9 Prozent höhere Fahrpreise) gibt es zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember bei fast allen Stadtbahnen (außer U 5 und U 8) einen längeren 10-Minuten-Takt bis etwa 20.30 Uhr. Auch die Busse auf etlichen Linien fahren häufiger.

Bisher, so Arnold, habe die SSB zu den Aufschlägen „immer ein ordentliches Paket an Verbesserungen geschnürt“. Diese werde es „nicht mehr geben können“. Mit dem Ende der Projektlaufzeit für den Wasserstoffbus zum Flughafen werde man über die Fortführung oder Einstellung des Angebots reden. Auch dem Wunsch der Killesberg-Bewohner nach einer Rückkehr zum 10-Minuten-Takt der Stadtbahn (jetzt 20 Minuten) erteilte Arnold eine Absage: „Das würde uns jedes Jahr 2,3 Millionen Euro kosten!“ Bisher habe die Kommunalpolitik im Stuttgarter Rathaus „jede Tariferhöhung mit der Erwartung von Angebotsausweitungen verbunden“.

Für den scheidenden Finanzvorstand Jörn Meier-Berberich steht die gesamte Branche „vor dem Wendepunkt“. Der Erneuerungsbedarf aus den hohen Infrastruktur-Investitionen in den 70er-Jahren treffe alle Nahverkehrsbetriebe. Nicht alle aber registrieren eine so hohe Nachfrage wie die SSB. 2014 werde ein „extrem erfolgreiches Jahr“ mit gegenüber 2013 rund 2,5 Prozent mehr Fahrgästen und fünf Prozent höheren Einnahmen. Deutlich zugelegt hätten die Abos und das Firmenticket, von dem 28 600 statt 21 700 verkauft werden konnten.

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