Die Filderebene wird zum großen Teil durch Busse statt durch Bahnen erschlossen. Vorgabe ist, mit jedwedem Verkehrsmittel in höchstens 30 Minuten die Innenstadt zu erreichen. Foto: Ott

Die Bezirksbeiräte aus Vaihingen, Möhringen, Degerloch, Plieningen, Birkach, Sillenbuch und Stuttgart-Süd haben über den Nahverkehrsplan diskutiert. Dabei sollten sie eigentlich nur zuhören, was die Stadt über Busse und Bahnen zu erzählen hat.

Filder - Zugegeben, die Materie ist nicht ganz einfach zu durchschauen. Da stellt die Stadt den neuen Nahverkehrsplan vor, in dem sie festlegt, wie Busse und Bahnen in den nächsten fünf Jahren rollen sollen. Sie wirft also einen Blick in die Zukunft. Und gleichzeitig ist es nicht möglich, sich Dinge zu wünschen, die in eben jenen nächsten fünf Jahren bei den Bussen und Bahnen geschehen soll. Als sei die Zukunft bereits Vergangenheit.

So geschehen am Donnerstag, 15. Oktober, im Möhringer Bürgerhaus, als der versammelten Lokalpolitik der Filderebene von Vaihingen bis nach Sillenbuch der Nahverkehrsplan erläutert wurde. Da kann man schon mal durcheinander kommen. Wozu die ganze Veranstaltung, wenn doch sowieso schon alles in Stein gemeißelt ist?, ließ sich aus nicht wenigen Kommentaren heraushören. Diskussionen über neue Linien etwa waren unerwünscht.

Es ist, wie so häufig, im Grundsatz recht einfach und im Detail ziemlich verzwickt. Denn nach geltendem EU-Recht muss Stuttgart den öffentlichen Personennahverkehr der Landeshauptstadt europaweit ausschreiben. Schließlich darf die SSB nicht einfach so zum Zug kommen, ohne dass vorher geprüft wurde, ob es jemand anderes auch billiger machen kann.

Fremdvergabe wäre Katastrophe für die SSB

Über eben jene Hürde stolperte kürzlich Pforzheim. Im dortigen Rathaus hatte niemand auch nur im Traum daran gedacht, dass die Bahn-Tochter Regionalbusverkehr Südwest (RVS) ein Angebot unterbreiten würde, das ohne städtische Zuschüsse auskommt. Etwa 250 Mitarbeitern der defizitären Stadtverkehr Pforzheim (SVP) droht nun die Kündigung.

„Das soll in Stuttgart nicht passieren“, sagte Ulrich Steimer. „Das wäre eine Katastrophe für die SSB.“ Der Leiter der städtischen Abteilung Verkehrsausbau und Investition war in die gemeinsame Sitzung der Bezirksbeiräte Vaihingen, Möhringen, Degerloch, Plieningen, Birkach, Sillenbuch und Stuttgart-Süd gekommen, um das Verfahren in grobe Zügen zu umreißen. An seiner Seite saß mit Thomas Knöller, Abteilungsleiter Planung beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), der Mann für die Details.

Lokalpolitiker wollen über Forderungen diskutieren

„Aufgrund der Neuerung in der Gesetzgebung müssen wir den Nahverkehrsplan alle fünf Jahre fortschreiben“, sagte Knöller. Das letzte Mal war das 2009 geschehen. Das Papier habe eine „wichtige Funktion für eventuelle Konkurrenten“. Es gehe also darum, festzulegen, was definitiv sein muss, damit der Plan „praktisch wie eine Ausschreibung“ zu lesen ist. Das schließt natürlich automatisch vage formulierte Wünsche aus.

Dass die Lokalpolitiker dazu gehört wurden, die eigentlich immer dann gefragt werden, wenn es um detaillierte Verbesserungsvorschläge vor Ort geht, trug maßgeblich zur Verwirrung bei. Es war aber rechtlich notwendig, um den Prozess fristgerecht in Gang zu setzen. Nach fruchtlosen Fragen zu Tempo-30-Zonen, Fahrrädern in Bussen, der Sinnigkeit von Kurzstreckentickets und ähnlichem brachte es schließlich Michael Huppenbauer von den Degerlocher Grünen auf den Punkt: „Ich glaube, wir reden hier aneinander vorbei. Wir reden politisch und stellen Forderungen, und Sie reden wirtschaftlich.“

Barrierefreiheit soll gewährleistet werden

Man kann es auch anders sehen. Der Nahverkehrsplan formuliert klare Forderungen an die SSB, die nicht wegdiskutiert werden können. Etwa die, dass die Stuttgarter von jedem Punkt aus innerhalb von 30 Minuten in die Innenstadt kommen sollen. „Für Plieningen können wir diesen Richtwert nicht einhalten“, sagte Knöller. Unter günstigen Bedingungen dauert es von dort aus 33 Minuten. Ähnlich abseits liegt übrigens Büsnau, von wo aus man 31 Minuten braucht.

Eine zweite Vorgabe ist eine gesetzliche, die nach und nach in Stuttgart umgesetzt werden muss. Busse und Bahnen sollen barrierefrei nutzbar sein. Die Bahnsteige sind bereits fast vollständig entsprechend umgebaut, zum Beispiel mit Rampen und Aufzügen. Auf der Filderebene erfüllt einzig die U-Bahn-Haltestelle Vaihingen Viadukt diese Vorgabe nicht. Wer indes die Zahnradbahn in Degerloch benutzt, wird sich auch weiterhin damit abfinden müssen, Treppen zu steigen.

Beim Zukunftskonzept sind Wünsche doch erwünscht

Anders sieht das bei den Bushaltestellen aus, wo nur rund 30 Prozent die neuen, 18 Zentimeter hohen Bordsteine haben, die in Verbindung mit sich zur Seite neigenden Bussen die Barrierefreiheit garantieren sollen. Zwischen Vaihingen und Sillenbuch soll deshalb eine Vielzahl an Haltestellen umgebaut werden, denn „die Filderebene wird noch zu einem großen Teil durch Busse erschlossen“, sagte Knöller.

Die Wünsche übrigens, die die Lokalpolitiker am vergangenen Donnerstag vergeblich zu lancieren suchten, werden sie voraussichtlich ab 2016 unterbringen können, und zwar im Nahverkehrsentwicklungsplan. Hinter dem bürokratisch anmutenden Wortungetüm verbirgt sich eben das, worauf die Bezirksbeiräte vergeblich gehofft hatten: ein Zukunftskonzept, dass noch nicht in Stein gemeißelt ist – und das auch nicht dem EU-Recht unterliegt.