Dichter Rauch über Gaza-Stadt Foto: dpa

Die Lage im Nahen Osten ist unübersichtlich: Erst will Israel eine längere humanitäre Waffenruhe und die Hamas weigert sich. Jetzt entscheidet sich die Führung der militanten Palästinenser doch anders, aber Israel will nicht mehr.

Die Lage im Nahen Osten ist unübersichtlich: Erst will Israel eine längere humanitäre Waffenruhe und die Hamas weigert sich. Jetzt entscheidet sich die Führung der militanten Palästinenser doch anders, aber Israel will nicht mehr.

Gaza/Tel Aviv - Feuerpause ausdehen oder nicht - im Nahen Osten wird die Lage immer unübersichtlicher. Die im Gazastreifen herrschende Hamas wollte zwar doch eine 24-stündige humanitäre Waffenruhe einhalten - doch nun war es Israel, das den Palästinensern eine Absage erteilte. Die radikal-islamische Hamas verletze die von ihr angekündigte Feuerpause selbst, sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag in einem Interview des US-Senders CNN: „Wir werden alles notwendige tun, um unser Volk zu schützen.“

Zuvor hatte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri angekündigt, ab 13 Uhr (MESZ) wollten die verschiedenen palästinensischen Fraktionen ihre Angriffe stoppen. Netanjahu zufolge gab es auch danach Attacken auf Israel.

Am Morgen hatten militante Palästinenser ungeachtet einer einseitig von Israel akzeptierten Feuerpause weiter Raketen auf israelische Ortschaften geschossen. Daraufhin nahm auch die israelische Armee ihre Angriffe in dem Palästinensergebiet wieder auf. Dabei wurden bis zum Mittag nach Angaben von Rettungssanitätern mindestens neun weitere Palästinenser getötet und rund 30 verletzt.

Opferzahl steigt weiter

Palästinensische Rettungskräfte berichteten am Sonntag von mindestens 13 Toten und mehr als 30 Verletzten durch neue Kampfhandlungen. Die Gesamtzahl der Toten im Gazastreifen stieg bis zum Sonntag auf 1062, mehr als 6000 Menschen wurden verletzt. Mehr als zwei Drittel der Opfer sind nach palästinensischen Angaben Zivilisten. Auf der israelischen Seite kamen seit dem 8. Juli 43 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.

Die Feuerpause am Samstag nutzten zahlreiche Menschen in Gaza dazu, um ihre Vorräte aufzustocken. Die Rettungskräfte erreichten erstmals seit Beginn der israelischen Bodenoffensive am 17. Juli bis dahin schwer umkämpfte "Todeszonen", darunter in Gaza-Stadt das östliche Stadtviertel Sadschaija. Sie bargen mehr als 150 Leichen, wie die Rettungsdienste mitteilten.

Den Helfern und Reportern boten sich dort Bilder der Zerstörung und Verwüstung. Ganze Straßenzüge wurden durch Bombardements dem Erdboden gleichgemacht. Zurückkehrende Bewohner bahnten sich einen Weg durch Trümmerfelder und suchten nach Habseligkeiten. Einige begruben ihre toten Angehörigen auf freien Flächen zwischen den Häusern.

Außenminister aus sieben Staaten riefen bei einem kurzfristig anberaumten Nahost-Krisentreffen in Paris am Samstag beide Seiten auf, die Feuerpause zu verlängern. An dem Treffen nahmen die Ressortchefs aus den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, der Türkei und Katar teil, aber keine Vertreter Israels und der Palästinenser. "Ich habe den Eindruck, dass der dritte Gaza-Konflikt noch härter geführt wird als die beiden vorherigen von 2008 und 2012. Deshalb sind große Anstrengungen nötig", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) anschließend.

"Nachhaltig wird ein Waffenstillstand nur sein, wenn das einhergeht mit einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im Gazastreifen", ergänzte er im Deutschlandfunk. "Und dazu muss Israel bereit sein."

Israel: Hamas plante verheerenden Anschlag

Israel wirft der Hamas die Planung eines verheerenden Anschlags auf israelische Zivilisten durch die Tunnel im Grenzgebiet vor. Geheimdienstminister Juval Steinitz bestätigte am Sonntag entsprechende Medienberichte.

Die Hamas soll demnach geplant haben, am jüdischen Neujahrsfest Rosch Haschana im September Hunderte bewaffneter Kämpfer durch mehrere Tunnel gleichzeitig auf israelisches Gebiet zu schicken. Sie sollten dort so viele Menschen wie möglich töten oder in den Gazastreifen verschleppen, hieß es. Die Informationen, die sich nicht unabhängig überprüfen ließen, basierten auf den Aussagen von Hamas-Mitgliedern, die die israelische Armee während der Offensive im Gazastreifen festgenommen habe.

In Tel Aviv protestierten Tausende gegen den Gaza-Krieg. Linke Parteien und Menschenrechtsorganisationen hatten dazu aufgerufen. Bei Protesten und Unruhen im Westjordanland kamen über das Wochenende mindestens neun Palästinenser ums Leben.

In Deutschland demonstrierten mehrere Tausend Menschen in mehreren Städten erneut gegen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen und für eine andauernde Waffenruhe. Die Teilnehmerzahlen waren teilweise deutlich geringer als erwartet. Antisemitische Parolen wie in vergangenen Tagen oder andere Zwischenfälle blieben aus. Kundgebungen gab es etwa in München, Frankfurt, Gießen, Hamburg und Kiel, am Sonntag ein religionsübergreifendes Friedensgebet in Berlin. Auch in Paris und London gingen Menschen auf die Straße.

Lufthansa, Air Berlin und Air France bieten inzwischen wieder Flüge nach Tel Aviv an. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch- palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen.