Laut den Plänen von fünf Baugenossenschaften sollen am Ehrlichweg rund 100 neue Wohnungen entstehen. Das gefällt nicht jedem. Foto: Rebecca Stahlberg

Die für nächste Woche vorgesehene Bürgerbeteiligung am Ehrlichweg ist erst einmal abgesagt. Dahinter könnte politisches Kalkül stehen.

Fasanenhof - So schnell wie die Pläne aus der Schublade gezogen wurden, so schnell sind sie darin vorerst wieder verschwunden. Am nächsten Dienstag, 13. Oktober, hätte die breit angelegte Bürgerbeteiligung zum Thema Nachverdichtung am Ehrlichweg beginnen sollen. Mit einem Büro war bereits der Ablauf besprochen worden. Am 17. Oktober und am 12. November hätte es mit zwei Planungswerkstätten weitergehen sollen. Die Verwaltung und fünf beteiligte Baugenossenschaften wollten in Dialog treten mit den Menschen vor Ort. Immerhin geht es um den Bau von etwa 100 Wohnungen und ein Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro. Kurzfristig wurde die Veranstaltung zur Bürgerbeteiligung nun aber abgesagt.

Das verwundert, schließlich geht es um viel Geld und hinter der Nachverdichtung steht ein breites Bündnis. Die Flüwo Bauen und Wohnen und die GWF-Wohnungsbaugenossenschaft, beide mit Sitz in Degerloch, die Baugenossenschaft Friedenau mit Sitz in Möhringen sowie die Postbaugenossenschaft und die VdK-Baugenossenschaft besitzen die 60er-Jahre-Wohnblöcke rund um den Ehrlichweg. Auf den Wiesen, die sie deshalb nicht eigens kaufen müssten, würden sie gerne mehrere Gebäude errichten.

Hinter dem Rückzug könnte politisches Kalkül stehen

Die Stadtverwaltung bis hin zum Oberbürgermeister Fritz Kuhn unterstützt den Grundgedanken, weil es an bezahlbaren Wohnungen mangelt. Und auch vonseiten des Gemeinderates ist mit Zustimmung zu rechnen. Sonst hätten die Stadträte im Februar nicht grünes Licht für die neuerliche Bürgerbeteiligung gegeben.

Neuerlich deshalb, weil die Pläne bereits 2013 zur Diskussion standen. Damals versandeten sie aber, vermutlich aus politischem Kalkül, weil so kurz vor der Gemeinderatswahl kein heißes Eisen mehr angefasst werden sollte. Schließlich sind viele Anwohner Gegner des Projekts. Und auch diesmal könnte politisches Kalkül hinter dem Rückzieher stehen.

Jedenfalls fällt die Entscheidung just in jene Tage, in denen die Stadt verkündete, auf einer separaten Brache am Ehrlichweg ein Flüchtlingswohnheim für bis zu 321 Asylsuchende bauen zu wollen. Der Gemeinderat wird darüber am 29. Oktober entscheiden. Im Herbst 2016 könnten die vier Systembauten, die derzeit vielerorts in Stuttgart entstehen, bezogen werden. Ebenfalls wurde bekannt, dass die alten Pavillons der nahen Fasanenhofschule kurzfristig für die Unterbringung von 80 Flüchtlingen genutzt werden sollen.

Offiziell ist der Ausstieg des Bürgervereins der Grund

Ein mit der Materie Vertrauter meint, dass es in einer solchen Phase nicht ratsam sei, eine Bürgerbeteiligung abzuhalten. Zum einen sei da der lautstarke Widerstand gegen die Nachverdichtung, zum anderen die Flüchtlingsproblematik: Taktisch klüger sei es, das Verfahren zu verschieben.

„Wir brauchen Wohnungen“, sagt der Baubürgermeister Peter Pätzold. „Aber die Akzeptanz ist wohl nicht da“, sagt er mit Blick auf den Bürgerverein Fasanenhof. Der kritisiert die Nachverdichtung und war zuletzt aus der Planungsgruppe ausgetreten, die die Bürgerbeteiligung vorbereiten sollte. „Der Bürgerverein ist das offizielle Organ des Fasanenhof“, sagt Pätzold. Als er Anfang vergangener Woche per Post von dem Ausstieg erfahren habe, „habe ich Kontakt mit den Baugenossenschaften aufgenommen“, um die Bürgerbeteiligung zu verschieben. Erst Mitte der Woche wurde dann verkündet, dass auf dem Fasanenhof ein Flüchtlingswohnheim entstehen soll.

Die Baugenossenschaften äußern sich ähnlich. Der Ausstieg des Bürgervereins „hat uns überrascht“, sagt Martin Mezger, der Prokurist der Flüwo. Mit dem geplanten Heim habe die verschobene Bürgerbeteiligung nichts zu tun. „Der Bürgerverein ist ein Teil der Bürger. Und wir wollten alle mitnehmen“, sagt Siegfried Lorenz, der geschäftsführende Vorstand der GWF. Auch er verneint einen Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung.

Grundsätzlich wird an der Nachverdichtung festgehalten

Günther Joachimsthaler kann das nicht recht glauben. „Das nehme ich denen nicht ab. Als ob wir so wichtig wären, dass es ohne uns nicht weitergehen kann“, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins. Der Vorstand habe am 21. September beschlossen, auszusteigen, weil sie „Zweifel am offenen Ausgang des Beteiligungsprozesses“ hatten. In den vergangenen zwei Monaten hatte der Bürgerverein Unterschriften gegen die Nachverdichtung gesammelt. Insgesamt kamen rund 450 zusammen. Diese sollten eigentlich am nächsten Dienstag bei der Auftaktveranstaltung überreicht werden.

Ausdrücklich heißt es vonseiten der Befürworter, dass aufgeschoben nicht aufgehoben bedeutet. Grundsätzlich habe sich nämlich nichts geändert. „Das Thema Flüchtlinge ist ein temporäres und ist irgendwann wieder vorbei“, sagt Lorenz. Schließlich würden die Wohnungen für die nächsten Jahrzehnte geplant. Dass deshalb die Preise in den Keller gehen würden und die Finanzierung fraglich sei, „muss ich widersprechen“.

Gleichwohl besteht wohl auch zwischen den Baugenossenschaften und der Verwaltung Klärungsbedarf. „Die Stadt hat in der Vergangenheit verneint, dass dort ein Flüchtlingswohnheim hinkommt“, sagt Lorenz. Die Fläche sollte im Rahmen der Bürgerbeteiligung überplant werden.