Pendelt künftig mit dem Zug nach Stuttgart: Moderator Michael Steinbrecher neben dem neuen „Nachtcafé“-Logo. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Neustart für das selbst ernannte „Flaggschiff“ des Südwestrundfunks: Michael Steinbrecher übrnimmt die Nachfolge von Wieland Backes als „Nachtcafé“-Gastgeber. Jetzt hat er sich der Presse gestellt.

Stuttgart - Wenn einer weiß, wie’s geht, dann zweifellos er: Bereits 1992 hat Steinbrecher zum Ende seines Studiums der Journalistik und Politikwissenschaft ein Buch veröffentlicht, Titel: „Die Talkshow – 20 Jahre zwischen Klatsch und News.“ Darin befragte er Talkmaster, welche Gesprächspartner warum eingeladen werden, welche Rolle das Studiopublikum spielt oder welche Sitzordnung sinnvoll ist. Antworten kann er demnächst selbst geben und damit zeigen, wie sich theoretische Erkenntnisse in die Praxis ummünzen lassen: Am Freitag, 9. Januar 2015, startet die erste von 38 „Nachtcafé“-Produktionen im kommenden Jahr, die allesamt im Baden-Badener E-Werk aufgezeichnet werden. In der Auftaktsendung geht es, wie SWR-Fernsehdirektor Christoph Hauser bereits verrät, um „die Chance des Neubeginns“ – ein Titel, der als Thema natürlich auch zur Sendung passt.

Der Stolz auf den Steinbrecher-Coup ist den Verantwortlichen am Freitag im Studio A des Funkhauses anzumerken. Warum er und kein anderer? Hauser schwärmt von der „herausragenden journalistischen Qualität“ dieser souveränen Medienpersönlichkeit, von seiner großen Erfahrung als Interviewer, Talker und Gastgeber.

Beim Casting, also der Probeaufnahme in Baden-Baden, hat es offenbar schnell gezündet. Der Leiter der SWR-Abteilung Journalistische Unterhaltung, Martin Müller, zieht den Vergleich zum „Magic Moment“, den man ganz selten etwa bei einem Konzert erlebe. Und bei diesem Casting im E-Werk „hatten wir sofort das Gefühl: Das stimmt alles, der Funke springt über, auch das Publikum reagiert begeistert.“

Steinbrecher selbst erinnert sich genau an Müllers ersten Anruf, als er selbst Samstagvormittags im Café saß. Er sei im ersten Moment skeptisch gewesen, „ein Casting hatte ich vorher noch nie gehabt“. Als es dann hieß, es gehe ums „Nachtcafé“, war indes sofort die Neugier geweckt. Seine erste Reaktion: „Wow! Ein Thema, 90 Minuten, wo gibt es das sonst noch im deutschen Fernsehen.“ Dort gehe es „nicht um Glamour und Effekte, es geht um Inhalte.“ Starke Änderungen gegenüber den Backes-Sendungen wird es eher nicht geben, „sie ist ja erfolgreich und muss nicht neu erfunden werden“. Das Prinzip „Bekannte und Unbekannte begegnen sich auf Augenhöhe“ werde auch weiter gelten. Nach dem Casting habe er sich pudelwohl gefühlt, „wir der Fisch im Wasser“,.

Im Sender jedenfalls geht man davon aus, dass die Erfolgsgeschichte fortgeführt wird: Immerhin hat das „Nachtcafé“ die höchsten Einschaltquoten der freitäglichen Talksendungen in den Dritten. Bundesweit eine Million Zuschauer, davon 600 000 im Sendegebiet, bedeuten 13 Prozent Marktanteil. Dennoch sprechen Hauser und Müller von einer „Neupositionierung“. Backes (68), der die Sendung seit 27 Jahre moderiert, sei der ältere, lebenserfahrene Mann. Der 48-jährige Steinbrecher verkörpere „den jungen, zeitgemäßen Familienvater“, der eine Attraktion „für die jüngere Zielgruppe“ darstellt.

Junger Papa? Steinbrecher – dessen einstige Haarpracht sich auf eine schwungvolle tolle reduziert hat – erklärt auf Nachfrage, dass er und seine Frau einen bald fünfjährigen Sohn haben, der in den Kindergarten gehe. Er sei „sehr froh, ein Familienvater zu sein“, sagt er, hält sich ansonsten aber bedeckt, „ich war da immer zurückhaltend“.

Da Steinbrecher in Köln lebt und in Dortmund an der Technischen Universität als Professor für Fernseh- und Crossmedialen Journalismus lehrt, muss er etliche logistische Herausforderungen meistern. Denn die „Nachtcafé“-Redaktion bleibt in Stuttgart, die Sendung wird aber in Baden-Baden aufgezeichnet. Der neue Moderator sieht darin kein Problem. Sämtliche Termine seien bekannt, „das ist alles wunderbar planbar“. Er werde sehr häufig in Stuttgart sein, „die Vorbereitung ist das Wichtigste und genauso interessant wie die Sendung selbst“.

Für die Anreise werde er nicht das Auto, sondern den Zug wählen, „da kann man arbeiten und sich vorbereiten“. Nach Baden-Baden brauche er lediglich zwei Stunden und 17 Minuten, nach Stuttgart sogar nur zwei Stunden und 13 Minuten. Pendler aus der Region werden dem neue Vorzeigegesicht des SWR künftig also womöglich öfter am Stuttgarter Hauptbahnhof begegnen.