Susanne Heydenreich inszeniert die neue Produktion. Foto: Haymann

Im Theater der Altstadt feiert an diesem Freitag das Reeperbahn-Musical „Heiße Ecke“ Uraufführung. Eine Kopie des Dauerbrenners im Hamburger Schmidts Theater soll es aber nicht werden, sagt die Regisseurin Susanne Heydenreich.

Stuttgart - Frau Heydenreich, Stuttgart und Hamburg trennen knapp sechs Stunden Bahnfahrt und auch sonst noch einiges. Was hat Sie auf die Idee gebracht, dieses Musical, das im Schmidts Theater auf der Reeperbahn seit 2003 ein Dauerbrenner ist, ausgerechnet an den Neckar zu holen?

Das Stück hatte ich vor Jahren gelesen, mochte es nicht, es wirkte wie eine Nachahmung von „Linie 1“. Dann hörte ich von Hamburgs Erfolg, las wieder, anders, tiefer, neugieriger, aufmerksamer - im Sommer war ich dort, beeindruckt und wusste, dass es so bei uns nicht geht.

Warum denken Sie, dass das St. Pauli-Musical hier auf Interesse stößt? Mit dem Fischmarkt ist Hamburg hier doch schon ganz gut vertreten.

Die Original Hamburger „Heiße Ecke“ ist eine Touristenattraktion mit allem Drumherum. Drei Stunden lang ist man bestens aufgehoben in einer Welt, die Hunger und Durst befriedigt, viel gute Laune verursacht, einfache, bezahlbare Wünsche schnellstens erfüllt und nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Ich glaube auch, dass das Publikum genau das will. In Hamburg.

Welcher Figurenkosmos eröffnet sich dem Stuttgarter Publikum?

Neun Spieler - 44 Figuren. Jede Figur hat ihr Schicksal, ihre Geschichte; jede bringt einen Farbsplitter in das Kaleidoskop an der Heißen Ecke. Lebenskünstler, Zocker, Süchtige, Liebeskranke, Hehler, Zuhälter, Prostituierte, ein Treffpunkt, so wie in Stuttgart beim Brunnenwirt – zumindest war es da mal so. Wichtig, dass es solche Orte gibt, sonst wären manche Menschen noch einsamer.

Und die Musik?

Die Musik unterstützt auch durch die gesungenen Texte die verschiedenen Gefühle und Situationen, fetzig, einschmeichelnd, sentimental, lüstern, vielversprechend, schmissig, traurig, angriffslustig, provozierend. Ohrwürmer sind auch dabei, vor allem aber transportieren die Texte Inhalte.

Eine Schmidts-Tivoli-Kopie haben Sie, so ist anzunehmen, aber nicht im Sinn. Wie hebt sich Ihre Inszenierung davon ab?

Ich hoffe, durch unsere Suche nach der Tiefe einzelner Figuren. Letztlich lebt in jeder Figur ihr eigener Kosmos, den will ich entdecken. Ich will kein Psychostück machen, aber ohne Fundament kann man keine Türme bauen. Im Idealfall bekommen die Zuschauer beides: das Lachen und das Schlucken im Hals. „Je höher, desto Fall“ ist mein Wahlspruch. Deswegen gibt es zusätzlich eine von uns „erweiterte“ Figur, die in Hamburg vielleicht nicht so passen würde.

Hat Ihre „Heiße Ecke“ auch eine Botschaft?

Die Welt ist bunt, wir sollten Menschen bewusster wahrnehmen, bevor wir urteilen. Wo Gegensätze zusammen kommen, da schlägt das Herz schneller, lauter und da liegt manches Wort schnell auf der Zunge. Man kann niemandem sein Schicksal abnehmen.

Termin Die Premiere am 9. Dezember ist ausverkauft. Weitere Vorstellungen im Dezember.