Da hilft auch kein Zaun – wenn der Nachbar psychisch auffällig ist, sind Anwohner und Behörden oft machtlos Foto: fotolia

Wenn psychisch Kranke ihre Nachbarn belästigen oder angreifen, stößt die Polizei oft an ihre Grenzen. Allein in Stuttgart werden jedes Jahr rund 1000 Fälle gemeldet.

Stuttgart - Beim Stuttgarter Ordnungsamt gehen jährlich über tausend Meldungen über psychisch auffällige Menschen ein. Gemeldet werden sie oft von Nachbarn oder Angehörigen, aber auch von der Polizei. Manche der Betroffenen terrorisieren ihre Umgebung, andere drohen, sich selbst umzubringen, oder sind auf andere Weise auffällig. Nach einer ersten Prüfung besuchen Vertreter von Ordnungs- und Gesundheitsamt manche der Betroffenen zu einer Begutachtung. „Das passiert bestimmt fünf-, sechsmal pro Woche“, sagt Stefan Kinkelin vom Ordnungsamt. Manche der Betroffenen werden in die Psychiatrie eingewiesen, wenn Vorstufen wie etwa die Betreuung durch Sozialdienste nicht mehr helfen.

Allerdings stoßen Behörden, Polizei und Gerichte immer häufiger an Grenzen. Das unterstreicht ein aktueller Fall aus Göppingen. Dort beklagen sich rund ein Dutzend Anwohner einer Wohnanlage darüber, seit etwa zwei Jahren von einer psychisch kranken Nachbarin schikaniert und angegriffen zu werden. Zahlreiche Anzeigen bei der Polizei sind erstattet worden. Die Frau soll Anwohner mehrfach zusammengeschlagen haben, einmal mit Hilfe eines Teleskopschlagstocks. Dazu kommen Beleidigungen, Sachbeschädigungen und zahlreiche weitere Delikte. Aktenkundig ist sogar eine Morddrohung gegen einen Nachbarn – ausgesprochen in einer Bankfiliale und aufgezeichnet von der dortigen Kamera.

Passiert ist bisher dennoch nichts. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Ulm hat einen Gutachter zurate gezogen. Der hat die Schuldunfähigkeit der Frau festgestellt – allerdings nicht ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Nur in diesem Fall hätte sie in eine Psychiatrie eingewiesen werden können. Jetzt allerdings bleiben sämtliche Taten ungeahndet. „Wir haben immer ermittelt, aber uns sind die Hände gebunden“, sagt Staatsanwalt Michael Bischofberger.