In der Kaserne von Pfullendorf soll es zu entwürdigenden Aufnahmeritualen gekommen sein. Foto: dpa

Nach den jüngsten Skandalen hat die Bundeswehr der Truppe auf den Zahn gefühlt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Pfullendorf war zwar ein Extremfall – aber auch keine Ausnahme.

Berlin - Nach den jüngsten Skandalen um sexuelle Belästigung und entwürdigende Aufnahmerituale hat die Bundeswehr Missstände in den eigenen Reihen untersucht und weitere Verdachtsfälle analysiert. Verstöße seien vor allem „infanteristisch geprägten Verbänden und in Teilen Ausbildungseinrichtungen“ zuzuordnen, heißt es in dem Bericht von Generalinspekteur Volker Wieker an den Verteidigungsausschuss des Bundestages, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuvor mehrere Medien berichteten. Das Meldesystem weist demzufolge Defizite auf. Es sei „zersplittert, nicht kohärent und wird uneinheitlich gehandhabt“.

Laut Wieker sind bei der internen Analyse weitere 40 Hinweise allein bei der „Ansprechstelle Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr“ eingegangen. Zivile Mitarbeiter beklagten vor allem Mobbing-Vorwürfe, Soldatinnen und Soldaten sexuelle Übergriffe. Dem Bericht zufolge wurden bereits bekannte Verdachtsfälle der beiden vergangenen Jahre sowie neue Fälle analysiert.

Vorwürfe betreffen vor allen Mannschaftssoldaten und Unteroffiziere

Besonders junge Soldaten von Kampfverbänden entwickelten demnach ein Eigenleben. Die Verdachtsfälle und Vorwürfe betreffen vor allem Mannschaftssoldaten und Unteroffiziere zwischen 20 und 30 Jahren. Wieker stellt für diesen Kreis ein „besonderes Erfordernis an stringenter Führung, Ausbildung und Erziehung“ fest. In der Elite-Ausbildungskaserne in Pfullendorf sei es zu „gravierenden Verstößen“ gegen Grundsätze der Bundeswehr gekommen. Klare Kommunikationsstrukturen und ein kameradschaftlicher Umgang seien durch „informelle Strukturen und übersteigerten Korpsgeist“ untergraben worden. Fragwürdige Ausbildungsmethoden seien geändert worden, schreibt Wieker in dem Bericht. Ausbilder seien versetzt, fünf Soldaten fristlos aus der Truppe entlassen worden.

Soldaten aus Pfullendorf hatten Ende Januar von demütigenden Aufnahmeritualen berichtet. Zudem sollen Ausbilder untergebene Soldatinnen zum Tanz an der Stange gezwungen und sie im Intimbereich abgetastet haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung.

Ein Obergefreiter soll sexuell belästigt worden sein

Ein weiterer Skandal kam vergangene Woche bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall ans Licht. Ein Obergefreiter soll sexuell belästigt und genötigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt nicht nur wegen Mobbings und „sexualbezogener Verfehlungen“, sondern auch wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Als Konsequenz soll das Meldewesen bei der Bundeswehr nun gestrafft, die Dienstaufsicht und die Ausbildung verbessert werden, wie Wieker schreibt. In einer neuen gemeinsamen Datenbank sollen Hinweise künftig effektiver zusammengeführt werden. In einem neuen Referat im Verteidigungsministerium sollen Angelegenheiten der inneren Lage gebündelt werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will mit Führungskräften auf einem Workshop über die innere Lage reden.

„Die Bundeswehr benötigt Menschen mit dem richtigen Reflektionsvermögen und Verantwortungsgefühl“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger. „Wer andere entwürdigt, schikaniert und belästigt, der zeigt keine Stärke, sondern offenbart seine eigene Schwäche und disqualifiziert sich für diese verantwortungsvolle Aufgabe.“ Wenn man die klugen Köpfe nicht wieder verlieren wolle, brauche man eine moderne, ehrliche Führungskultur.

Der Bericht betont auch die Bedeutung eines kritischen „Blicks von außen“ auf interne Abläufe. Der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer soll die innere Lage der Truppe untersuchen. Er solle vorhandene Daten analysieren, mögliche Schwachstellen identifizieren und helfen, Vorschläge zur Schulung und Weiterbildung von Fachpersonal zu entwickeln.