Nach der Prügelattacke der Mädchengang in Tübingen verstärkt die Polizei nun ihre Präsenz vor der Schule, auf die einige der Beteiligten gehen. Foto: dpa/Symbolbild

Nachdem eine 13-Jährige in Tübingen von einer Mädchengang verprügelt und das Video bei Facebook hochgeladen wurde, kochen die Emotionen hoch. Die Polizei geht nun vermehrt Streife an der Schule, die viele der Beteiligten besuchen.

Tübingen - Das Video einer brutalen Attacke unter Mädchen hat im Internet zu Gewaltaufrufen und Hasstiraden gegen die mutmaßlichen Schlägerinnen geführt. Nach der Prügelei in Tübingen zeigten sich die Polizei und das Landeskriminalamt (LKA) am Freitag über die Reaktionen von Internetnutzern besorgt: „Das Mädchen darf nicht noch Tausende Male Opfer werden“, sagte der LKA-Medienexperte Stefan Middendorf in Stuttgart. Die 13-Jährige müsse wieder zur Normalität zurückzukehren können.

Der mit einem Smartphone aufgenommene Clip zeigt mehrere Mädchen auf einem Spielplatz, die sich um die sitzende 13-Jährige gruppieren. Abwechselnd schlagen und treten sie auf das Opfer ein. Rund ein Dutzend jugendliche Zeugen beobachten die Szene. Die Köpfe der Schlägerinnen sind von der Kamera weitgehend abgeschnitten. Das Video endet jedoch mit einer Aufnahme der verletzten 13-Jährigen - ihr blutiges Gesicht ist gut erkennbar. Der Vorfall ereignete sich schon am Montag, wurde aber erst jetzt von der Polizei öffentlich gemacht.

Mehr als 12.000 Mal angeklickt

Wer das Original-Video aufgenommen und hochgeladen hatte, wollte die Polizei zunächst nicht mitteilen. Mehr als 12.000 Mal hatten Internetnutzer bis Freitagnachmittag auf das Video bei Facebook geklickt, wie Stefan Meißner vom Regierungspräsidium Tübingen sagte.

Gegen die mutmaßlichen Schlägerinnen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Das Motiv für die brutale Tat gab der Polizei zunächst Rätsel auf. Auch ob die mutmaßlichen Schlägerinnen die 13-Jährige nahe ihrem Schulhof gezielt aufgesucht hatten, war zunächst unklar. Die Mädchenclique und ihr Opfer besuchen nach Polizeiangaben unterschiedliche Schulen.

"Schwer erträgliches Gefühl von Ohnmacht"

Durch das Video erleide das Opfer nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt, mahnte auch der Vizepräsident der Landespsychotherapeutenkammer, Martin Klett, in Freiburg. Die verfilmte Attacke zu veröffentlichen, könne zu Traumatisierungen führen. „Das ist eine ganz große Beschämung und ein schwer erträgliches Gefühl von Ohnmacht. Das kann in dem Alter zu sozialem Rückzug bis hin zu Schulverweigerung führen“, erklärte der Experte.

An der Tübinger Gemeinschaftsschule, die das Opfer besucht, hätten sich am Donnerstag vor Unterrichtsbeginn Schulpsychologen mit den rund 1600 Schüler unterhalten, sagte Meißner. Den Pädagogen und Betreuern sei es gelungen, die Schülerschaft zu beruhigen. Auch den Eltern habe man den Dialog angeboten, um Gemüter zu besänftigen und über Konsequenzen nachzudenken. Die Schüler seien verängstigt und aufgebracht gewesen über die Prügelattacke nahe des Schulgeländes. Das 13-jährige Opfer sei seit dem Vorfall am Montag nicht mehr zur Schule gekommen. Wann sie zurückkehre, sei noch unklar.

Gewalttaten, die in Video-Form online kursieren, sind unter Schülern kein neues Phänomen: 2012 etwa waren in Mecklenburg-Vorpommern zwei Zehntklässler einer Schweriner Schule verwiesen worden, weil sie einen jüngeren Mitschüler vor laufender Kamera drangsaliert hatten. Wie bei dem jüngsten Fall in Tübingen, stellten die Täter den Videoclip ins Internet. Die Polizei kam den 17 und 18 Jahre alten Schülern auf die Schliche. Es folgte eine Anzeige wegen Nötigung und Körperverletzung und schließlich der Schulverweis.

Polizei nimmt Facebook-Kommentare unter die Lupe

In Tübingen nahmen Beamte den Angaben nach eine Fülle an Kommentaren in Sozialen Netzwerken unter die Lupe. Sie untersuchten die Beiträge auf Beleidigungen, Bedrohungen oder Aufrufe zu Gewalt-Delikten, erklärte eine Sprecherin der Polizei Reutlingen. Es soll geprüft werden, ob die Inhalte strafbar sind. Polizisten gingen nun vermehrt Streife an der Gemeinschaftsschule, die das Opfer besucht.

Der Hinweis auf das Video an die Polizei sei von der Schule ausgegangen, sagte die Sprecherin. Die Schule machte zunächst keine Angaben zu dem Vorfall. Polizei und LKA riefen derweil dazu auf, das Prügel-Video nicht weiter zu verbreiten und die Identität der Beteiligten zu deren Schutz nicht öffentlich zu machen. Dass das Video ganz gelöscht werde, sei unwahrscheinlich, sagte LKA-Mann Middendorf: „Es wird Bestand haben in den Tiefen des Internets.“