Ein mit schusssicherer Weste und Maschinenpistole ausgerüsteter Beamter der Bundespolizei patroulliert in einem Bahnhof - nach dem tragischen Vorfall in Paris werden auch in Deutschland Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Foto: dpa

Die Sicherheitsbehörden erhalten nach den Terroranschlägen in Frankreich viele Hinweise auf mögliche Gefahren in Deutschland. Ein solch erhöhtes Aufkommen sei typische Folge von Ereignissen wie zuletzt in Paris, teilte das Bundesinnenministerium mit. Warnungen werden geprüft. Die Frage ist, wie glaubwürdig und konkret die Tipps sind.

Berlin - Von besonderer Nervosität war auf dem Berliner Hauptbahnhof nichts zu spüren. Zwar soll die Bundespolizei ihre Präsenz in Uniform und Zivil dort und auf dem Dresdner Pendant erhöht haben, nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) Anfang der Woche intern über eine angeblich verstärkte Gefährdung durch islamistische Anschläge informierte. Doch die knallgelben Warnwesten, die am Berliner Bahnhof für erhöhte Aufmerksamkeit sorgten, wurden nicht von Polizisten getragen. Sie gehörten unzufriedenen Landwirten, die am Rande der „Grünen Woche“ für ihren Berufsstand demonstrieren wollten. Nicht erst seit den Anschlägen islamistischer Terroristen in Paris, bei denen 17 Menschen getötet wurden, rechnen die deutschen Sicherheitsbehörden auch mit Anschlägen in Deutschland. Und nicht umsonst betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zuletzt am Freitagnachmittag: „Die Lage ist ernst, es besteht Grund zur Sorge und Vorsorge, jedoch nicht zur Panik und Alarmismus.“

Ausdrücklich bezog sich die Mitteilung des Ministers auf die „aktuelle Berichterstattung zur Gefährdungslage“. Seit Tagen war dem Ministerium da wohl klar, dass das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Freitagnachmittag mit einer Vorabmeldung zu Hinweisen auf mögliche Terroranschläge auf die Hauptbahnhöfe in Berlin und Dresden an die Öffentlichkeit gehen würde. Das Magazin bezog sich auf übereinstimmende Meldungen mehrere ausländischer Nachrichtendienste an die deutschen Behörden. De Maizière wollte mit seiner fast zeitgleichen Mitteilung die Deutungshoheit behalten und das Signal geben: Keine Panik. Im Grundsatz bestätigten Sicherheitskreise der Deutschen Presse-Agentur am Samstag die von dem Magazin und in Teilen auch von der „Berliner Zeitung“ geschilderte Lage. Doch die Informationen, die nach ersten Hinweisen Anfang der Woche nach und nach durch weitere Warnmeldungen befreundeter Geheimdienste ergänzt wurden, sind bislang von den Sicherheitsexperten nicht verifiziert. Glaubwürdigkeit und Gehalt der Informationen werde weiterhin geprüft, heißt es. Im Klartext: Es ist unklar, ob etwas an den Warnungen dran ist.

Schwer einzuschätzen, wie ernst die Lage ist

Für die Analytiker in den Sicherheitsbehörden gehören solche Einschätzungen zu den schwierigsten Aufgaben. Oft geht es um die Frage: Stammen die Informationen von Maulhelden, die sich beispielsweise in abgehörten Telefonaten oder in verschlüsselten Internet-Chatrooms wichtig tun wollen? Und was möchten die den Geheimdiensten namentlich bekannten internationalen Dschihadisten erreichen, wenn sie offen oder einigermaßen konspirativ über mögliche Anschläge auf Demonstrationen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung diskutieren? Diese Leute wissen in der Regel, dass sie im Visier der Sicherheitsbehörden sind. Geht es ihnen also womöglich um gezielt geschürte Panik - oder doch um ernst gemeinte ganz konkrete Pläne?

Werden die Hinweise befreundeter Dienste - wie im aktuellen Fall - einigermaßen ernst genommen, haben die Experten mehrere Möglichkeiten, sie zu überprüfen. Das reicht vom Abgleich mit der eigenen Lagebewertung über direkte Nachfragen bei den ausländischen Partnern und zusätzlichen Abhöraktionen bis hin zum Einsatz von Agenten, die weitere Erkenntnisse sammeln sollen. Einfach nur abtun könne man derlei Informationen nie, wird in den Kreisen betont. Zu groß ist in den Sicherheitsbehörden die Sorge, den entscheidenden Hinweis auf ein bevorstehendes Attentat nicht erkannt zu haben. Einen Anschlag ausschließen kann aber dennoch kein Politiker und kein Experte. Zur Einschätzung der Dimension der aktuellen Warnungen könnte aber ein Vergleich mit Terrordrohungen hilfreich sein, die die deutsche Hauptstadt vor gut vier Jahren beunruhigten. Damals hatte sich ein Tippgeber gemeldet und den Eindruck erweckt, islamistische Attentäter hätten einen Sturmangriff auf den Bundestag geplant. Damals waren die Warnungen derart konkret, dass die Behörden Ende November 2010 vorübergehend sogar die Reichstagskuppel sperren und die Grenzkontrollen verschärfen ließen. Ein Attentat gab es nicht. Heute heißt es, die aktuellen Warnungen seien anders als damals. Wesentlich weniger konkret.