Eine Frau tauscht in einer Wechselstube in Istanbul Geld. Die türkische Lira leidet unter dem Rating von Moody’s. Foto: dpa

Nachdem Moody’s das Land auf Ramschniveau herabgestuft hat, stürzt der türkische Leitindex ab. Die Medien sprechen von einem „Finanzputsch“ aus Amerika.

Stuttgart - Mit Schimpfkanonaden und Verschwörungstheorien haben türkische Politiker und Medien auf die Herabstufung der wirtschaftlichen Bonitätsnote des Landes durch die Ratingagentur Moody’s am vergangenen Freitag reagiert. Die US-amerikanische Firma, eine der großen drei der Ratingbranche, hatte die Türkei um eine Stufe auf „Ba1“ und damit auf Ramschniveau gesenkt. Die Entscheidung kann dramatische Folgen für die türkische Wirtschaft haben, die auf ausländisches Kapital angewiesen ist.

Moody’s begründete die schlechte Benotung mit dem langsamen Wirtschaftswachstum, dem weiterhin schlechten Investitionsklima und vor allem mit gestiegenen innenpolitischen Risiken nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli. Die Märkte reagierten prompt auf die Investitionswarnung. Am Montag fielen türkische Aktien um vier Prozent, der größte Einbruch seit dem Putschversuch. Auch Staatsanleihen und die Türkische Lira gerieten unter Druck und rutschten gegenüber dem Dollar und dem Euro auf den tiefsten Wert seit zwei Monaten. Entsprechend groß war die Aufregung in der Hauptstadt Ankara. Der starke Mann des Landes, Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, wischte die Zurückstufung zwar mit einem knappen „interessiert mich überhaupt nicht“ vom Tisch, aber Ministerpräsident Binali Yildirim sprach von einer parteiischen Entscheidung und einer „Operation gegen die türkische Wirtschaft“. Sie sei nicht gerechtfertigt, denn die Wirtschaft des Landes sei stark und habe stetiges Wachstum. Noch massiver erging sich die regierungsnahe Presse in Verschwörungstheorien. Nachdem der militärische Putsch fehlschlug, folge jetzt ein „Finanzputsch“ aus Amerika, schreibt die Zeitung „Star“, und „Aksam“ vermutet hinter dem „Anschlag“ durch Moody‘s die islamische Gülen-Bewegung, welche die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht.

Die Herabstufung war absehbar

Tatsächlich aber war die Entscheidung der Ratingagentur absehbar, denn schon kurz nach dem gescheiterten Staatsstreich hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit der Türkei auf „BB“ gesenkt und damit tiefer in den Ramschbereich gesetzt. Von den großen drei der Ratingbranche fehlt jetzt nur noch Fitch, das seine Entscheidung für Anfang 2017 angekündigt hat. Das Problem: Viele große Investmentfonds sind verpflichtet, ihre Einlagen abzuziehen, wenn zwei Ratingagenturen einen Staat auf Schrottniveau einstufen. Der Türkei, einst für ihr Wirtschaftswunder gerühmt, könnte deshalb eine Kapitalflucht ungekannten Ausmaßes drohen.