Tausend Trauernde haben in Backnang Abschied von den acht Brandopfern genommen. Beim Totengebet in der Moschee waren auch der türkische Vizepremier Bekir Bozdag, Baden-Württembergs Vizeregierungschef Nils Schmid, Integrationsministerin Bilkay Öney (beide SPD) sowie der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslioglu. Foto: Benjamin Beytekin

Bewegender Abschied in Backnang: Verwandte, Freunde und Politiker haben die acht Brandopfer auf ihre letzte Reise geschickt. Irritationen gibt es um eine neue Obduktion der Toten in der Türkei.

Backnang - Tausend Trauernde haben im schwäbischen Backnang in einer bewegenden Zeremonie Abschied von den Opfern der Brandkatastrophe genommen. Die acht mit türkischen und deutschen Flaggen geschmückten Särge wurden am Dienstag durch die Menschenmenge von einem Hof nahe der Moschee getragen. Um 14.18 Uhr hob die Maschine der Turkish Airlines vom Stuttgarter Flughafen ab Richtung Istanbul. Die Leichen werden dort zunächst nochmal obduziert, wie der türkische Vizepremier Bekir Bozdag beim Totengebet ankündigte.

Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) kritisierte dieses Vorgehen: Das fehlende Vertrauen der türkischen Seite in die Ermittler belaste das Verhältnis zu Deutschland. Die zusätzliche Obduktion „dient nicht der Totenruhe, aber auch nicht dem gegenseitigen Vertrauen“, sagte Öney der Nachrichtenagentur dpa. „Wenn es Vertrauen gegeben hätte, würde die türkische Seite nicht auf eine Autopsie bestehen“, betonte die türkischstämmige Ministerin. „Das finde ich sehr schade.“

"Millionen türkische Bürger leiden mit uns"

Bei dem Feuer in einem Haus, nur wenige Schritte von der Moschee entfernt, waren am Sonntagmorgen eine 40 Jahre alte Mutter und sieben ihrer zehn Kinder ums Leben gekommen. Bozdag drückte den Hinterbliebenen das Mitgefühl des ganzen Landes aus. „Millionen türkische Bürger leiden mit uns und teilen unseren Schmerz“, sagte Bozdag. Er wünsche der Familie ganz viel Stärke und vertraue darauf, dass die Ursache des Brandes restlos aufgeklärt werde. Etwa 20 Abgeordnete des türkischen Parlaments begleiteten Bozdag.

Für das Land Baden-Württemberg sagte Vize-Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) bei dem Totengebet: „Ganz Baden-Württemberg ist in Trauer heute vereint.“ Mit Tränen in den Augen und zittriger Stimme sprach er über „Kinder, die nie wieder auf der Straße spielen werden mit ihren Freunden“. Den Trauernden versicherte er, sie könnten sich darauf verlassen, dass sich Bürger - egal aus welchem Land - hier zu Hause fühlen können. Das Land werde alles daransetzen, die Ursache für den Brand herauszufinden. Schmid ist selbst mit einer türkischstämmigen Frau verheiratet.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte die Leichen am Dienstag nach der Obduktion freigegeben. Dem Ergebnis zufolge gilt als sicher, dass die acht Mitglieder der türkischstämmigen Familie am giftigen Rauch erstickt sind. Die Leichen sollten rasch übergeführt werden. Die Eile begründet sich damit, dass im Islam Gestorbene eigentlich binnen weniger Stunden beerdigt werden müssen.

Technischer Defekt wahrscheinlichste Ursache

Als sehr wahrscheinliche Ursache für das Flammeninferno haben die Ermittler einen technischen Defekt ausgemacht. Die Untersuchungen laufen aber weiter. Die Polizei hofft nach eigenen Angaben, bis Ende der Woche Ergebnisse vorlegen zu können.

Die Hintergründe zur Familie und den Lebensbedingungen rücken indes immer stärker in den Vordergrund: Angehörige der Opfer hatten dem Vermieter der Wohnung und den deutschen Behörden schwere Vorwürfe gemacht. Die elektrischen Leitungen in der Wohnung seien total marode gewesen, sagte etwa die Großmutter der sieben getöteten Kinder. Der Vermieter habe sich aber nicht darum gekümmert. Einzige Heizquelle in der Wohnung war ein Holzofen. Und dem Vernehmen nach gab es dort kein warmes Wasser. Ein Polizeisprecher erklärte, der Vermieter solle ebenfalls vernommen werden. Er sei derzeit im Ausland.

Wegen der schlechten Wohnverhältnisse habe sich die alleinerziehende Mutter mehrfach an deutsche Ämter gewandt, erklärten weitere Angehörige. Auch das Jugendamt sei mehrfach in der Wohnung gewesen. Nach Angaben des Landratsamtes im Rems-Murr-Kreis werden die Anschuldigungen derzeit überprüft. Ein Sprecher des Kreises sagte am Dienstag, dass das Jugendamt die Familie seit einiger Zeit betreut habe. Dabei sei es um ambulante Familienhilfe, Tagesbetreuung und soziale Gruppenarbeit für einige der Kinder gegangen. Die Familie sei aber dem Eindruck nach gut in ihrem Alltag zurechtgekommen.

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